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Schattengott

Schattengott

Titel: Schattengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli Paulus
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wehren. In
der Bibel gibt es auch gerechte Kriege. Gott hat auf diese Weise ganze Völker
vernichtet. Wenn wir auf deine Ratschläge hören würden, könnten wir unsere
Armee glatt abschaffen. Dann hätte ich keine Arbeit mehr, und wir würden
armengenössig.»
    Sarah Imobstgarten widersprach nicht, denn die Stimme ihres Mannes
war immer zorniger geworden. Wenn er sich in seine Wut hineinsteigerte, wusste
sie, dass Schweigen angezeigt war; andernfalls bestand die Gefahr, dass er zuschlug.
Vor Jahren hatte sie sich einmal einem Autokauf widersetzt und sich danach fast
einen Monat lang wegen ihres verunstalteten Gesichts nicht mehr in der
Öffentlichkeit zeigen können. Seitdem war ihre Nase leicht abgewinkelt. Das
komme von einem Treppensturz, redete sie sich heraus, wenn sie darauf
angesprochen wurde.
    Aber das war lange her. Inzwischen war sie vorsichtiger geworden und
reizte ihren Mann nicht mehr ohne Not. Die Wahrheit nicht auszusprechen kostete
sie aber jedes Mal Beherrschung, denn ihr kam dann unweigerlich immer das Gebot
«Du sollst nicht lügen» in den Sinn. Doch etwas anderes zählte noch mehr: «‹Die
Frau ist dem Manne untertan›, so steht es schwarz auf weiss im Heiligen Buch»,
pflegte ihr Mann immer und immer wieder zu sagen. Das war unzweifelhaft wahr,
denn sie hatte es selbst in der Bibel gelesen. Also war dieses Gebot wohl dem
anderen, «Du sollst nicht lügen», übergeordnet? Sie hätte das gerne genauer
gewusst, aber sie wagte es nicht, danach zu fragen.
    * * *
    Bruno Tadic vergass den Zusammenstoss in der Disco rasch wieder,
aber für Imobstgarten war es ein Ereignis, das sein Leben in eine neue Richtung
lenkte. Was ihm widerfahren war, empfand er als eine derart unerträgliche
Demütigung, dass er Tag und Nacht daran denken musste. Wochenlang schlief er
schlecht, und manchmal hätte er am liebsten einfach sein Sturmgewehr genommen –
oder eine der anderen Schusswaffen aus seiner kleinen, aber liebevoll
gepflegten Sammlung – und seinen «Feind» kurzerhand über den Haufen geschossen.
Aber dann wäre er ins Gefängnis gekommen. Das wollte Imobstgarten dann auch
wieder nicht.
    Wenn er mit einem Arbeitskollegen, einem Nachbarn oder einem
Bekannten ins Gespräch kam, lenkte er es schon nach den ersten Sätzen auf die
Frechheiten, die sich Ausländer erlaubten. Was er dabei erlebte, war für
Imobstgarten eine ganz neue Erfahrung. Sonst interessierte sich nie jemand für
das, was er sagte, aber bei diesem Thema fand er fast überall offene Ohren.
Beinahe jeder wusste eigene Erlebnisse zu berichten oder ihm allgemeine Gründe
zu nennen, warum und in welcher Weise Fremde wie dieser Tadic dem Vaterland
Schaden zufügten. Imobstgarten vernahm dabei manches, was ihm nicht nur neu
war, sondern auch interessant vorkam. Er kaufte deshalb ein kleines
Wachstuchheft, das er von da an immer bei sich trug. Nach jedem Gespräch machte
er sich darin Notizen: Name, Zeit und Inhalt. Aber auch wenn ihm eine fremde
Person im Quartier auffiel, schrieb er es auf. Meist waren es Touristen, in
einigen Fällen aber Neuzuzüger, die im Städtchen eine Wohnung mieteten. Er
scheute sich dann nicht, diesen Leuten bis in die Hauseingänge zu folgen. Vom
Türschild oder Briefkasten schrieb er die Namen ab. Häufig klangen sie
fremdländisch. Das Wachstuchheft aber behielt er für sich, es war sein
Geheimnis. Niemand, nicht einmal seine Familie und seine engsten Freunde,
erfuhr je etwas davon.
    Schon von Haus aus hatte Imobstgarten Respekt vor der Rechtsordnung.
Die Gesetze durfte man nicht brechen, Polizei und Militär mussten darüber
wachen, das hatte ihm sein Vater eingebläut. Was für eine schwere Aufgabe die
Polizei hatte in einem Land, in dem sich fremde Gesetzesbrecher immer mehr
breitmachten! Einer von denen zu sein, die die Einhaltung der Rechtsordnung
überwachten und diejenigen ihrer gerechten Strafe zuführten, die sie nicht
einhielten, diese Vorstellung gefiel ihm. Sie gefiel ihm sogar noch besser,
wenn er sich vorstellte, es wäre Tadic, den er einer Missetat überführte. So
setzte er sich mit dem Gedanken auseinander, in den Polizeidienst einzutreten.
Als er diese Idee seinem Vater gegenüber äusserte, war dieser hell begeistert
und bot ihm seine Hilfe an.
    Aus den Bewerbungsunterlagen erfuhr er, man müsse
militärdiensttauglich sein, eine Berufslehre abgeschlossen oder die Maturaprüfung
bestanden und das zwanzigste Lebensjahr zurückgelegt haben. Diese
Voraussetzungen erfüllte Imobstgarten. Doch das

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