Schattengott
hinten abschliessen.»
«Ich komme mit», sagte Sabina und folgte ihm vorsichtshalber in die
Werkstatt.
Bühler war sichtlich nervös. Als die Protokollantin da war,
begann Sabina mit der Einvernahme.
«Hatten Sie vor einigen Wochen einen Auftrag, bei dem es um die
Gravierung einer Steinplatte und mehrerer kleiner Steine ging?»
Der Schmuckmacher schluckte und presste ein verkrampftes «Nein,
wieso?» heraus.
«Kein auffälliger Auftrag? Keine Ansammlung scheinbar
zusammenhangloser Worte, die Sie einarbeiten sollten?»
Sabina fixierte ihn mitleidlos. Bühler wand sich geradezu auf seinem
Stuhl, schwieg jedoch hartnäckig.
«Wollen Sie mir sagen, dass Sie mir nichts mitzuteilen haben?», rief
sie schliesslich und schlug mit der Hand auf den Tisch. «Dann unterschreiben
Sie das Protokoll und entschuldigen Sie die Störung. Aber eins sage ich Ihnen:
Sollten wir herausfinden, dass das nicht stimmt, dann hat das Konsequenzen.»
Sie packte ihn hart an und spürte, dass er langsam weich wurde.
Er wusste etwas, irgendetwas.
«Herr Bühler.» Sie rückte näher an ihn heran und bedrängte ihn
regelrecht mit ihrer physischen Präsenz und einer Stimme, die wie ein Fels im
Raum stand. «Sie wissen etwas, ich kann es riechen. Raus damit!»
«Ja», murmelte Bühler, «ja, ich habe einen Auftrag gehabt. Ist schon
fast zwei Monate her. Ich sollte Wörter in Steine gravieren. Und Schablonen
machen für verschiedene Buchstaben.»
«Blut, Stier, Himmelsleiter? Waren das die Begriffe?»
«Ja, genau.» Er schaute sie verblüfft an. «Solche Wörter, völlig
zusammenhanglos.»
Sabina schlug noch heftiger mit der Hand auf den Tisch. «Und das
fällt Ihnen jetzt ein? Wer hat Sie damit beauftragt?»
«Das weiss ich nicht», sagte Bühler.
«Was ist denn das für ein Blödsinn?»
«Bitte, Sie müssen mir glauben!» Bühler sah sie flehentlich an. «Der
Auftrag wurde mir telefonisch erteilt. Das Geld sollte mir vorab überwiesen
werden.»
«Viel Geld?»
«Ja. Schon viel.»
«Und weiter?», hakte Sabina nach.
«Es kam eine Auftragsbeschreibung per Fax, und am nächsten Tag war
schon das Geld überwiesen. Ich hatte bloss zwei Tage Zeit. Hab nachts
durchgearbeitet.»
«Wo ist dieses Fax?»
«Weiss ich nicht. Ich glaube, das ist weg.»
«Weggeschmissen?»
«Ja, wahrscheinlich.»
«Wie viele Stücke haben sie graviert?»
«Die kleinen Steine, eine Steinplatte und die grossen Schablonen.
Und dann noch vier Schmuckstücke aus Silber.»
«Was für Schmuck?»
«Einen Armreif, eine Fusskette, einen Ring. Und ein Amulett.»
«Was stand auf den Schmuckstücken drauf?»
«Das weiss ich nicht mehr. Bitte, das waren so viele Wörter, die
konnte ich mir nicht alle merken.»
«Was stand drauf?», wiederholte Sabina.
«Ich weiss es nicht mehr. Ehrlich. Blut und Stier immer,
Himmelsleiter, Bräutigam, solche Sachen, aber genau weiss ich es nicht mehr.»
«Wer hat die Sachen abgeholt? Und wann?»
«Niemand. Ich sollte sie an ein Postfach nach Zürich senden.»
«Haben Sie die Adresse noch?»
«Ich weiss nicht, das muss ich nachschauen.»
«Und das Fax? Woher kam das Fax?»
«Das Fax kam auch aus Zürich. Aus einem Hotel», sagte er, «das Park
Hyatt Hotel. Ja, das fiel mir auf. Es stand als Absender unten drauf, bei der
Nummer.»
«Sie sagten, der Mann habe Sie einmal angerufen?»
«Ja.»
«Wie hat er geklungen?»
«Eine sonore Stimme, eher ein Westschweizer, würde ich tippen, vom
Akzent her. Aber genauer kann ich das auch nicht sagen.»
«Gibt es sonst noch irgendetwas, das Sie uns mitteilen wollen?»
«Nein, ich wüsste nichts mehr.»
«Gut, dann warten Sie bitte, bis meine Kollegin das Protokoll fertig
hat, und unterschreiben Sie es. Danach fahren wir zu Ihnen zurück und suchen
dieses Fax.»
Bühler durchstöberte seinen Schreibtisch und fand unter Bergen
von Papieren einen Faxbogen aus dem Park Hyatt. Allerdings nur das erste von
zwei Blättern.
«Wo ist der Rest?», fragte Sabina.
Er suchte weiter, durchforstete das ganze Atelier, drehte jedes
Werkzeug um. Ergebnislos.
«Ich muss es weggeschmissen haben.»
«Und die Adresse von dem Postfach?»
«Nicht mehr da, tut mir leid.»
«Verdammt», sagte Sabina. «Auf diesem zweiten Fax stehen womöglich
Hinweise auf weitere Frauen. Dieses Fax kann vielleicht Leben retten. Bitte
erinnern Sie sich: Was haben Sie auf diese Schmuckstücke geschrieben?»
Bühler wirkte erschöpft. «Worte, immer sieben Worte. Aber das waren
so viele, ich weiss es nicht mehr. Es tut
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