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Schattengott

Schattengott

Titel: Schattengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli Paulus
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die sie die bisherigen Begriffe
gehängt hatte, und schrieb die sechs neuen dazu. Aus den ersten drei
Vermisstenfällen und den neuen Hinweisen von Bühler ergab sich eine Liste von
neun noch unklaren Worten. Für die Begriffe Spital und Zauberberg hatte Sabina eine plausible Hypothese: Bei
dem beschriebenen Opfer könnte es sich um eine Krankenschwester oder eine
Ärztin aus Davos handeln. Blieben also sieben unklare Begriffe: Rabe, Bräutigam, Soldat, Löwe, Perser, Vater, Sonnenläufer.
    Sabina durchdachte die Worte: Löwe konnte
natürlich das Sternzeichen sein, aber waren nicht alle Opfer Stier gewesen? Mit
dem Perser könnte ein Teppich bezeichnet sein.
Vielleicht deutete das auf eine Angestellte in einem Teppichladen hin? Vater ? Der himmlische oder ein irdischer Vater? Und dann
dieser sonderbare Begriff Sonnenläufer . Was sollte
das sein?
    Sie hämmerte das Wort in die Google-Suchmaske und drückte die
Returntaste. Der Begriff schien im Zusammenhang mit einem Computerspiel zu
stehen, sie konnte sich keinen Reim darauf machen. Rasch schrieb sie noch die
Begriffe Rabe, Perser , Vater,
Bräutigam, Löwe und Soldat dazu und drückte
ohne grosse Hoffnung auf Return.
    Es dauerte keine Sekunde, und sie hatte eine Liste von mehreren
hundert Internetseiten, auf denen die Begriffe eine Rolle spielten. Alle
angezeigten Links hatten etwas mit dem antiken Gott Mithras zu tun.
    «Ach du Scheisse», sagte Sabina. Ihr Puls raste.
    War nicht bei Zillis vor Jahren eine Höhle entdeckt worden, die man
mit dem Mithraskult in Verbindung brachte? Sie klickte eine der Seiten an. Es
handelte sich beim Mithraskult offenbar um eine geheime Mysterienreligion, in
der es sieben Initiationsstufen gab. Die Weihegrade waren Rabe, Bräutigam,
Soldat, Löwe, Perser, Sonnenläufer und Vater. Die sieben Worte an ihrer
Pinnwand bezogen sich eindeutig auf die sieben Weihegrade des Kults. Und jedem
Opfer war offensichtlich ein Weihegrad zugeordnet. Die Tempel des Mithraskults
wurden Mithräen genannt. Zumeist waren es Höhlen oder Kellergewölbe. Allein in
Rom hatte es um 200 nach Christus rund tausend dieser Ritualstätten gegeben. Im
ganzen römischen Reich war dieser Lichtkult verbreitet gewesen; er galt als
eine der grössten Religionen seinerzeit. Sabina klickte die Abbildungen an und
sog die Luft ein. Mithras wurde stets dargestellt, wie er einen Stier tötete.
    Handelte es sich bei den Morden um die Wiederkehr eines alten Kults?
Die Mithraisten feierten zur Aufnahme in die Kultgemeinschaft eine Art
Bluttaufe, bei der die Neumitglieder mit Stierblut besprenkelt wurden. War es
jetzt das Blut der Frauen, die im Sternzeichen des Stiers geboren waren?
    Sie sah aus dem Fenster. Ein alter Lichtkult, der wieder auflebte.
In sein Gegenteil verkehrt. Dunkel. Gewalttätig. Hier im Schams. Nach über
tausendfünfhundert Jahren. Warum?
    Der antike Kult war mit dem Aufkommen des Christentums als römische
Staatsreligion im 4. Jahrhundert gewalttätig beendet worden. Mithräen in ganz
Europa waren zerstört und zugeschüttet worden. Nur in entlegenen Regionen wie
den Alpen und speziell in Zillis hatte sich der Kult bis ins 5., 6.
nachchristliche Jahrhundert gehalten. Dann waren auch hier Mithrasanhänger
getötet worden. Sabina klappte den Laptop zu und ging vors Haus. Keine drei
Kilometer von hier befand sich die Höhle, in der man die Gräber und
Kultgegenstände der Mithraisten von Zillis gefunden hatte. Sie kannte sie von
früher. Sie musste sich dort umschauen.
    Die Höhle lag etwas oberhalb des Hinterrheins am Ortsrand von
Zillis. Nur ein paar hundert Meter entfernt stand die berühmte romanische
Kirche St. Martin, eines der wichtigsten Baudenkmäler des frühmittelalterlichen
Christentums. Sabina parkte am Strassenrand und stapfte über die steile,
feuchte Wiese. Vor der Höhle machte ein Schild auf die antiken Funde
aufmerksam.
    Das Innere des ehemaligen Kultplatzes gab nicht mehr viel her.
Sämtliche Gräber waren ausgeräumt und wieder zugeschüttet worden. Weder am
Boden noch an den Wänden fand Sabina irgendwelche Botschaften. Sie rief dennoch
Beeli an und bat ihn darum, die Höhle auf Spuren untersuchen zu lassen. Dann
telefonierte sie mit Heini und erläuterte ihm ihre Erkenntnisse. Sie
verabredeten sich für den Abend auf dem Polizeikommando.
    Sabina ging zur Strasse zurück und fuhr zur alten Kirche von Zillis.
Sie stellte ihren Wagen auf dem grossen Parkplatz ab und zückte am
Kassenhäuschen ihren Ausweis.
    «Ist jemand drin?», fragte

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