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Schattengott

Schattengott

Titel: Schattengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli Paulus
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eines von
sieben Orakelworten. Diesen Vorgang wiederholt er so oft, bis er diese sieben
Orakelworte als Antwort auf seine Frage bekommt. Aus diesen Worten schliesst
er, was in der Zukunft geschehen wird beziehungsweise was die Antwort auf seine
Frage ist.»
    «Und was hat das mit dem I Ging zu tun?», fragte Sabina.
    «Wie gesagt, die Methode des Auszählens ist ähnlich», sagte
Rosenacker. «Nur erhält man beim I Ging eben ein Symbol als Antwort. Und diesem
Symbol ist ein fertiger Orakeltext zugeordnet. Schlorf erschuf seine Antworten
dagegen jedes Mal neu aus dem Wörterbuch.»
    «Und sie bestanden immer aus sieben Worten?», wiederholte Sabina.
    «Ja.»
    Sie rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her. Zu jedem Opfer waren
sieben Worte geschrieben und am Ort der Entführung hinterlassen worden. Sieben
Worte. Genau wie bei diesem Schlorf.
    «Ich weiss, es klingt wenig glaubhaft», sagte Rosenacker, der
Sabinas Schweigen als Zweifel deutete, «aber der junge Mann hatte tatsächlich
die Gabe, aus diesen Worten Zukunftsprognosen zu entwickeln, die später
eintrafen.»
    «Haben Sie das anhand eines Ereignisses überprüft?», fragte Malfazi.
    «Ich habe ihn zum Beispiel an Weihnachten gefragt, wer als nächster
Gast in die Stiftung kommt. Ich bin ja selbst oft überrascht, woher die Leute
kommen und wie sie vom Schloss erfahren haben.»
    «Und?»
    «Er hat vorhergesagt, dass eine Frau aus dem hohen Norden kommt, die
mit Steinen zu tun hat und dem Weg eines Labyrinths folgt.»
    «Er hat die Frau gekannt und so getan, als würde er es vorhersehen»,
bot Malfazi sofort die rationale Erklärung.
    «Die beiden hatten sich vorher nie gesehen, das war offensichtlich»,
erwiderte Rosenacker. «Aber bitte, es geht hier nicht darum, Sie von
irgendetwas zu überzeugen. Ich habe lediglich dargelegt, wie Schlorfs Methode
funktioniert.»
    Rosenacker ging zu einem Regal und inspizierte sorgfältig die Reihen
mit Ordnern und Büchern.
    «Sonderbar», sagte er nach einer Weile, «Schlorfs Aufschriebe sind
nicht da. Er hat viele seiner Ergebnisse dokumentiert und der Bibliothek
überlassen. Aber der Ordner fehlt.»
    Sabina ging zum Regal und sah sich die Ordner an. Auf den Rücken
stand jeweils der Name des Stiftungsgasts und sein Forschungs- oder
Kunstgebiet; im Inneren befanden sich Aufzeichnungen zu diesen Themen.
    Der Ordner von Matthew Sanderson enthielt jede Menge Kopien von
Bildern mit Felszeichnungen und Symbolen, dazu Texte. Im Ordner von Redolfi
fanden sich die Kopien von Auswertungen neurologischer Tests, die alle mit der
Wirkung von Musik zu tun hatten. Zu gerne hätte Sabina den Ordner dieses
Wörterbuchpropheten gesehen.
    «Wo könnte der Ordner von Schlorf noch sein ausser in der
Bibliothek?», fragte sie und wandte sich zu Rosenacker um.
    «Ich weiss es nicht. Ich hab ihn nicht weggenommen.»
    «Einer der Gäste vielleicht?», fragte Malfazi.
    Rosenacker klingelte, der Koch kam in die Bibliothek.
    «Oskar, bitte hol noch mal die Gäste her.»
    «Wissen Sie, welche Worte Schlorf genau vorhergesehen hatte? Warum
er so fluchtartig das Schloss verlassen hat?», fragte Sabina.
    «Nein, er hat nur gesagt, es würden schreckliche Dinge passieren.
Aus welchen Orakelworten er das schloss, weiss ich nicht.»
    Sanderson kam in gemütlichen Sandalen aus seinem Zimmer, Redolfi war
anscheinend gerade dabei gewesen, zu einem Spaziergang aufzubrechen, die
Isländerin eilte aus dem Garten herbei. Alle drei gaben an, nicht zu wissen, wo
der Ordner von Schlorf sei. Auch der Koch hatte keine Idee.
    «Ich kann nur noch die Putzfrau fragen», sagte Rosenacker. «Aber die
räumt normalerweise nichts weg.»
    Sabina und Malfazi verabschiedeten sich, kündigten aber an,
gegebenenfalls wiederzukommen.
    Für Sabina erschien es mehr als plausibel, dass Schlorf etwas
mit den Morden zu tun hatte. Zu auffällig waren die Parallelen zu den
Mordfällen: sieben Orakelworte, die Vision grausamer Geschehnisse im Umkreis
der Schlucht, sein plötzliches Verschwinden. Sie wusste nicht, ob sie an die
Möglichkeit einer Prophezeiung glauben sollte. Zumal der Mann sich durch deren
Erwähnung bei der Abreise ja selbst verdächtig gemacht hätte. Aber irgendetwas
hatten Schlorf und diese sonderbaren Wörterbuchprophezeiungen mit den
Verbrechen zu tun. Schlorf war abgereist, unmittelbar bevor Katharina Jakobs
verschwunden war. War er der Entführer? Stand er hinter den Morden? Hatte er
Dinge vorhergesehen, die er dann in einem Wahn selbst ausführen

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