Schattengott
für sich, was sich genau in
der Höhle zugetragen hatte. Ein Fotovergleich in Zürich ergab, dass er der Mann
war, der das Fax im Park Hyatt aufgegeben hatte. Und er war, wie der DNA -Vergleich
ergab, auch der Mörder von Bühler und der Mann, der die Frauen in den Schächten
bewacht und einbalsamiert hatte. Ein treuer, stummer Diener der düsteren
Gemeinschaft, der für den Rest seiner Lebenszeit in einem Hochsicherheitstrakt
verwahrt werden würde.
Malfazi selbst galt als der grosse Retter. Er war es gewesen, der
den Maskierten im Schacht niedergestreckt hatte, er hatte Sabina befreit und
dem Mithrasspuk ein Ende bereitet.
Sabina wurde nach fünf Tagen aus dem Spital entlassen. Sie war
nach Meinung der Psychologen nur leicht traumatisiert, und sie selbst empfand
das auch so. Ausserdem brannte sie darauf, mehr über die Hintergründe der Morde
zu erfahren.
Von Beeli liess sie sich die Ergebnisse der Minenuntersuchungen
geben. Die Kollegen vom Erkennungsdienst hatten mehrere Kammern entdeckt, in
denen die entführten Frauen auf Pritschen gefangen gehalten worden waren. Dort
fanden sie Gasbehälter zum Beheizen der Kammern, mehrere Dosen mit Honigbalsam,
Morphium, eine Videokamera, ferner Decken, eine notdürftige Küche,
Essensvorräte und sogar Toiletten. Das alles musste über Monate hinweg in den
Felsgängen eingerichtet worden sein.
Die Silberminen von Taspegn waren tatsächlich ein idealer Ort für
die dunklen Rituale gewesen. Sie lagen abseits aller öffentlichen Strassen, und
nach dem Almabtrieb im September kam bis zur Alpsaison im nächsten Sommer
niemand mehr dorthin. Zu steil war die Zufahrt über den alten Forstweg, zu karg
war die Gebirgswelt dort oben.
Im Schutz der Nacht mussten die Mithrasmörder die Frauen hierher
verschleppt und im grossen Kultraum auf dem Steinaltar geopfert haben. Die
Blutspuren auf dem Boden der grossen Höhle zeugten von den makabren Ritualen.
Ferner fanden sich in der Höhle neben den Spuren Redolfis, des Stummen und der
Opfer noch DNA -Spuren
von weiteren Personen. Der Kultgemeinde gehörten also offenbar deutlich mehr
Männer an. Nach und nach drang etwas Licht ins Dunkel, und die Ermittler
konnten die Puzzlestücke im Nachhinein einigermassen zusammensetzen.
«Die Sache mit den Motorrädern hatten wir überhaupt nicht auf
dem Schirm», sagte Sabina. «Mit einem Motorrad bist du unglaublich flexibel, es
lässt sich viel leichter stehlen als ein Auto, und niemand merkt sich in der
Regel das Nummernschild.»
«Meinst du, die anderen Mitglieder der Mithrasgruppe waren alle mit
Motorrädern unterwegs?», fragte Beeli.
«Ich will das auf jeden Fall überprüfen lassen. Sie müssten ja auch
mal irgendwo abgestiegen sein. Ich werde sämtliche Gasthöfe und Hotels in der
Gegend prüfen lassen. Jetzt fahr ich aber erst mal zu Rosenacker. Ich kann mir
einfach nicht vorstellen, dass Redolfi nicht irgendwo noch Material
hinterlassen hat.»
«Na, dann viel Glück. Malfazi hat ja das ganze Haus schon mal
untersuchen lassen.»
Als Sabina die Bibliothek von Schloss Mondfels betrat, stand
sehr zu ihrer Freude eine Schale mit Keksen auf dem Tisch.
«Wie geht es Ihnen?», fragte der Schlossherr.
«Wenn ich das hier sehe», sie zeigte auf die Kekse, «geht es mir
prächtig. Ich kann mich an das Schlimmste zum Glück überhaupt nicht erinnern.»
«Ich hätte das nicht für möglich gehalten. Ein Gast meiner
Stiftung.»
«Er hat Sie ausgenutzt. Hier war er im Zentrum des Geschehens und
konnte sich geschickt hinter anderen verstecken.»
«Ich habe mich in ihm getäuscht», sagte Rosenacker, und Sabina sah,
dass ihn das zutiefst verletzte. «Ich habe ihm geglaubt, dass er die Stille
sucht, um die Musik zu ergründen.»
«Das hat er ja auch getan – aber eben nicht nur. Er muss das
alles von hier aus geplant haben. Ist es nicht sonderbar, dass die Kollegen bei
der Untersuchung seines Zimmers überhaupt nichts gefunden haben?»
«Sie können gerne noch mal schauen.»
Gemeinsam stiegen sie die alte Treppe hinauf ins Dachgeschoss von
Schloss Mondfels und betraten Redolfis ehemalige Kammer. Es war eine kleine
Zelle wie in einem Kloster. Durch das Dachfenster sah man auf die Ruine von Hohen
Rätien und auf die Anhöhe von Carschenna. Links stand ein Schreibtisch, rechts
ein einfaches Bett. Ein kleiner Schrank bot Platz für Kleider, ein
Schaukelstuhl diente als Leseplatz.
Sabinas Kollegen hatten das Zimmer bereits ausgeräumt und alle
Kleider zur Untersuchung gebracht. Auch Redolfis
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