Schattengreifer - Die Zeitenfestung
legte. Sie suchte ihren Mantel. »Und ich werde nachsehen! Ich halte dieses Warten nicht mehr aus.«
Damit hastete sie aus dem Haus und achtete nicht auf die besorgten Rufe von Tom und Nin-Si.
Mit dem scharrenden Geräusch verschloss Simon wieder die Tür zum Geheimgang hinter sich. Niemand hatte ihn herauskommen sehen, da war er sicher. Um diesen Teil der Stadtmauer herum hielten sich wohl nur selten Menschen auf, was natürlich erklärte, warum sich die Tür gerade hier befand.
Nun stand Simon unter der heißen Wüstensonne und wartete auf etwas, von dem er nicht wusste, was es war. Wieso waren sie hierhergekommen? Und was erhoffte sich Neferti von diesem kauzigen Menschen, dem sie gerade begegnet waren? Simon lief noch immer ein eisiger Schauer über den Rücken, wenn er nur an diesen Priester dachte.
Hoffentlich täuschte sich Neferti nicht in ihm. Simon konnte beim besten Willen nicht nachvollziehen, warum dieser Mensch einer der bedeutenden Bewohner Amarnas sein sollte. Weise? Von allen verehrt?
Simon traute diesem Mann nichts zu. Bestimmt brachte der nur heiße Luft zustande. Und die roch dann auch noch schlecht.
Ihm fiel das Warten zunehmend schwerer. Was hatte Neferti vor? Was geschah wohl gerade in diesem absonderlichen Geheimraum?
Simons Unruhe und Neugier wuchsen. Er blickte sich um, vergewisserte sich, dass auch wirklich niemand in der Nähewar, der ihn bemerken konnte, dann trat er zu der Säule und öffnete vorsichtig die Tür. Ganz langsam.
Er steckte den Kopf in den Gang und lauschte. Nefertis Stimme war zu hören. Jedoch zu leise, als dass Simon etwas verstehen konnte. Ganz selten war auch der Priester zu hören.
Neferti berichtete ihm wohl etwas. Und dann stockte ihre Stimme, und Simon konnte eindeutig hören, wie Neferti seinen Namen sagte. Jetzt horchte Simon auf. Moons Name folgte und eine gewisse Zeit später Nin-Sis. Auch Caspar wurde genannt. Doch richtig überrascht war Simon, als er Salomons und Basrars Namen hörte.
Was war dort los?
Die Auflistung der Namen ging nun wieder in einem Bericht Nefertis unter, von dem Simon nichts verstehen konnte. Er war kurz davor, die Treppenstufen hinunterzusteigen, als ihm plötzlich klar wurde, was er hier tat: Er hinterging Neferti. Sie hatte ihn gebeten, hier oben zu warten. Und sie würde ihre Gründe dafür haben. Was er hier gerade tat, zeugte nicht gerade von großem Vertrauen.
Mit einem schlechten Gewissen schloss Simon die Geheimtür, auch wenn es ihm schwerfiel, und setzte sich, gegen die Säule gelehnt, in den Sand.
Er konnte nichts tun im Moment. Nichts als Grübeln. Doch darauf hatte er keine Lust! Er ärgerte sich über sich selbst.
Die kleine Krähe fehlte ihm. Vielleicht war es falsch gewesen, sie bei Tom und Nin-Si zu lassen. Zu gern hätte er sie jetzt an seiner Seite gehabt.
In der Hitze wurde Simon allmählich träge. Wen sollte es stören, wenn er nur einmal für einige Minuten die Augen schloss?
Er zog die Knie an, verschränkte seine Arme darauf und ließ den Kopf sinken. Seine Augen brannten. Ob vor Müdigkeit oder durch den Wüstensand, das hätte er nicht sagen können. Er hielt die Augen geschlossen. Allerdings: Dunkel wurde es dadurch nicht, denn das grelle Sonnenlicht schaffte es sogar durch seine Augenlider hindurch.
Bis ihm mit einem Mal doch alles Licht genommen wurde. Simon öffnete die Augen und erkannte an dem Schatten um sich herum, dass jemand vor ihm stand. Er blinzelte in die Höhe und sah Moon vor sich stehen.
»Was tust du denn hier?«, fragte Simon überrascht. Obwohl er sich freute, dass der Lakota-Junge hier war, so stieg doch auch Angst in Simon auf. Dass Moon seinen Posten verlassen hatte, konnte nichts Gutes verheißen.
»Moon, was ist los?«
Simon erhielt keine Antwort. Und das Schweigen des Indianers steigerte Simons Angst nur noch mehr. Mit einem leeren Blick sah Moon auf ihn herab.
Simon stand langsam von seinem Platz auf. »Hast du was?«
Noch immer reagierte Moon nicht.
Erst als Simon ihn anbrüllte: »Was ist denn los mit dir?«, schien Moon zu erwachen. Mit beinahe tonloser Stimme gab er nur einen Satz von sich: »Es waren keine Leichen da!«
»Was hat das wohl zu bedeuten?«
Tom und Nin-Si standen auf der Türschwelle und beobachteten noch immer den Flug des riesigen Krähenschwarms. Die Vögel stoben hinter der Rotkopf-Klippe hinunter.
»Anscheinend gibt es noch einen weiteren Zugang zu der Höhle, in der wir dem Schattengreifer begegnet sind.«
Tom nickte. »Das
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