Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
Vom Netzwerk:
vollkommen ausdruckslos. Auf seinem schwarzen T-Shirt standen um ein drohendes weißes Augenpaar in Rot die Worte:
Sieh mich nicht an – ich bin schizophren!
    «Jörg!», sagte Dieter Krombach mit entsetztem Tadel in der Stimme.
    Der Mann ignorierte seinen Bruder und sah Winter in die Augen.
    «Ich hab Ihnen nichts zu sagen», sagte er ruhig.
    «Ich aber vielleicht Ihnen», entgegnete Winter ebenso ruhig. Er spürte, dass er diesen Kandidaten anders anfassen musste als üblich, wenn er etwas erreichen wollte. Krombach sah ihn immer noch ausdruckslos an. Winter bemühte sich, dem Blick standzuhalten und ihn möglichst genauso zu erwidern. Nach einer halben Minute schweigendem Starrwettbewerb sagte Krombach. «Gut. Kommen Sie rein.»
    «Jörg!», schimpfte sein Bruder, dann keifte er irgendwas in tiefstem Dialekt hinterher, das Winter nicht verstand.
    «Lass mich in Ruhe, ich bin erwachsen», gab Jörg Krombach zurück und schob mit Gewalt die Tür zu, gerade als sein Bruder hinter Winter den Flur betreten wollte.
    «Bloß weil der fuffzehn Jahre älter ist wie ich, meint er, er kann mich gängeln wie ein Baby», kommentierte er gegenüber Winter. Er führte den Polizisten in ein abgedunkeltes, kühles, penetrant nach kaltem Zigarettenrauch riechendes Wohnzimmer. Ein riesiger Plasmabildschirm hing an der Wand. Auf einem großen Esstisch in der Mitte lag ein angefangenes Puzzle mit abstrakten Motiven, daneben ein überquellender Aschenbecher.
    Krombach ließ sich in den einzigen Sessel fallen, der vor dem Fernseher stand, und begann eine Zigarette zu drehen. Ein Sofa gab es nicht. Winter nahm sich einen der Stühle vom Tisch und setzte sich Krombach schräg gegenüber. Eine Weile sagte er nichts, weil er überlegen musste, wie er die Sache am besten anfangen sollte. Das Schweigen schien Krombach nicht zu stören. In aller Seelenruhe zündete er sich seine Zigarette an.
    «Also, Herr Krombach», sagte Winter. «Wir stecken ziemlich in der Bredouille. Wir haben dieses Jahr in Frankfurt zwei Mordfälle an Frauen, die ursprünglich aus Allmenrod stammen. Sie wissen sicher, wovon ich spreche. Es gibt Anzeichen, dass die beiden Fälle zusammenhängen. Aber wie genau, das macht uns noch Probleme. Für die Sabrina Vogel, geborene Pfister, die im Januar gefunden wurde, hätten wir einen möglichen Täter und ein passendes Motiv. Und damit meine ich nicht Sie, obwohl wir wissen, dass hier im Dorf behauptet wird, Sie hätten Sabrina Vogel umgebracht. Im Moment haben wir aber eine andere Theorie. Mehr Rätsel gibt uns der Mord an Ihrer Verwandten Verena Tamm auf. Vielleicht können Sie uns betreffs Frau Tamm weiterhelfen. Sie kennen sich ja im Dorf aus. Ihr Bruder und Ihre Schwägerin waren leider letzte Woche nicht so wahnsinnig hilfreich.»
    Jörg Krombach lachte laut. Sein Lachen klang unnatürlich, wie das eines sehr schlechten Schauspielers. «Wenn der alte Pfister noch fit wäre, dann wäre es klar, der hat die Verena umgebracht», verkündete er. «Bei seiner Frau, der Gunhild, bin ich mir nicht sicher. Trotzdem. Sie kann es gewesen sein.»
    «Was wäre das Motiv?»
    «Rache. Pfisters denken, ich hätt die Sabrina umgebracht.»
    «Und? Haben Sie?»
    «Im Leben nicht. Ich hab nicht mal eine Waffe zu Hause. Wenn ich jemanden hätt umbringen wollen, ich hätt den alten Pfister gekillt und mich nicht an der Sabrina und ihrem Macker versucht. Auf die Sabrina hab ich seit Jahren schon keinen Hals mehr. Die kann doch am wenigsten dafür. Dafür, was ihr Alter meiner Mutter angetan hat, mein ich. Wissen Sie davon?»
    Winter nickte.
    «Warum ermitteln Sie da nicht? Mord verjährt nicht.»
    «In der alten Sache schreiben Sie am besten der Staatsanwaltschaft», versuchte Winter abzulenken. «Die Polizei kann so einen Altfall nicht selbständig wiederaufnehmen, wenn der als Unfall gilt. Übrigens hat sich Ihre Familie vielleicht der Vertuschung mitschuldig gemacht, wenn Sie das damals nicht angezeigt haben. – Aber zurück zu heute, wann haben Sie Verena Tamm denn zuletzt gesehen oder gesprochen?»
    «Keine Ahnung. Doch, Weihnachten war das.»
    «Hat sie irgendetwas Ungewöhnliches erzählt, zum Beispiel, dass sie jemanden kennengelernt hat?»
    «Nein. Mir nicht.»
    «Hat Verena jemals von ihrem Arbeitgeber Professor Grafton erzählt?»
    «Da müssen Sie die Frauen fragen. Ich hab nur mitgekriegt, sie hat erzählt, sie ist froh, dass sie drei Tage die Woche was Festes hat. Bei denen ging’s immer ums Geld. Die haben

Weitere Kostenlose Bücher