Schattenhaus
besten noch ein paar Leuten mehr, wenn du welche zusammentrommeln kannst. Vielleicht von der Bereitschaft.»
«Ah! Erkläre dich näher.» Winter ließ sich in den Drehstuhl fallen und rollte dichter an sie heran. Er war gerade sehr zufrieden mit der Welt.
«Ich hab ja gestern die Ärzte in der Uniklinik wegen Birthe Feldkamp befragt», erzählte sie. «Die konnten sich bestens erinnern, weil die Giftdosis wohl außergewöhnlich hoch gewesen ist. Ich hab mir die Labordaten geben lassen und hab die Papiere an so eine Spezialstelle für Vergiftungen in Mainz gefaxt. Die haben mir vorhin gemailt. Der Arzt da meint, eine derart starke Knollenblätterpilzvergiftung hätte er sein Lebtag nicht gesehen. Seiner Ansicht nach muss die ganze Mahlzeit aus Knollenblätterpilzen bestanden haben. Ansonsten müssten es Pilze mit einem ungewöhnlich hohen Giftgehalt gewesen sein. Dann hätten vielleicht wenige gereicht. Er meinte, er würde das an unserer Stelle überprüfen. Und ich hab mir gedacht, es wäre doch mal interessant zu sehen, ob in der Gegend um Birthe Feldkamps Haus überhaupt Knollenblätterpilze wachsen und wenn ja, wie giftig sie sind und wie weit sie von den Champignons weg stehen und so. Frau Feldkamp hatte im Krankenhaus gesagt, sie hätte in der Nähe Ihrer Wohnung gesammelt, auf den Niddawiesen.»
«Was soll das denn bringen?», meckerte Kettler, der in der Tür stehen geblieben war.
«Was eine Arbeit bringt, Sven», sagte Winter, «das weiß man immer erst, nachdem man sie gemacht hat.»
Kettler zog die Brauen hoch und knallte die Tür hinter sich zu.
Aksoy lachte. «Denkst du auch, dass die Idee mit dem Pilzesammeln schwachsinnig ist?», fragte sie. «Ich bin mir selbst nicht sicher.»
«Ich denke, es könnte einen neuen Aspekt beisteuern», sagte Winter. «Kennst du dich denn mit Pilzen aus?»
«Die Unterschiede zwischen Knollenblätterpilzen und Champignons habe ich mir eben angelesen und sie kurz zusammengefasst, mit Fotos. Davon kann ich Ausdrucke machen.»
«Okay, dann kümmere ich mich mal um mehr Leute.» Winter griff zum Telefon. So ganz sicher war er nicht, ob er noch objektiv war.
Doch war das, was Aksoy hier vorhatte, nicht genau das Grundprinzip der Kriminalarbeit? Man deckt hundert Steine auf, bis man einen findet, unter dem Gold liegt?
Abends um sieben war klar: Die Arbeit war nicht umsonst gewesen. Der Verdacht gegen Olsberg hatte sich erhärtet.
***
Am nächsten Morgen holten sie Olsberg aus dem Bett und aus dem Haus. Winter ging nicht mit, begleitete stattdessen das Durchsuchungsteam, das Hendrik von Sarnaus Kanzlei ausräumen sollte. Fock rief dort gegen elf an. Er wollte wissen, ob er den Vergiftungsfall Birthe Feldkamp an die MK 2 übertragen könne, nachdem es sich nun wohl doch um eine von den beiden anderen Morden unabhängige Tat handelte. Doch Winter überzeugte den Chef, es sei zu früh dafür, es sei noch zu vieles offen. Vorläufig verblieb also auch der Fall Feldkamp bei seiner SoKo.
Die Vernehmung des mutmaßlichen Giftmörders Olsberg begann um eins. Olsberg hatte darauf bestanden, vorher einen Anwalt zu sprechen, und das hatte gedauert. Winter entschied wieder, dass es besser war, wenn er selbst nicht dabei war. Stattdessen sah er vom Videoraum aus zu, während er etwas arg Gemüselastiges vom Thailänder verzehrte. Winter schienen Olsbergs Augen rot umrändert, als habe er geweint. Aber vielleicht lag es auch an der Bildqualität, oder die Kamera war rotstichig eingestellt. Die Vernehmung begann mit heftigem Protest des Verdächtigen: Er habe morgen früh Analysis-Klausur und in der Woche darauf noch zwei andere Prüfungen; er habe seit Monaten dafür gelernt und werde das Semester verlieren und Probleme mit dem BA fö G -Amt bekommen, wenn er diese Klausuren nicht mitschreibe. Winter glaubte, Verzweiflung durchzuhören. Hatten sie wirklich genug gegen Olsberg in der Hand, um sicher zu sein, dass sie hier nicht den Falschen in Schwierigkeiten brachten? Andererseits: Wenn es in der nächsten Umgebung eines überführten Mörders einen verdächtigen Todesfall gab, blieb einem kaum etwas übrig, als zu ermitteln.
Musso und Aksoy machten ihre Sache gut. Nach zehn Minuten beschloss Winter, nicht mehr länger zuzusehen. Es war klar, dass Olsberg nichts zugeben würde. Darin bestand auch gar nicht der Sinn der Vernehmung. Vielmehr sollte in allen Einzelheiten erfragt werden, wie, wo, wann und von wem die Pilze für die tödliche Mahlzeit gesammelt, gekocht und
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