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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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Tat verantwortlich zu sein.
    Sabrina Vogels Mutter öffnete mit pflichtbewusstem, ängstlichem Blick. Winter freute sich, die Siebzigjährige heute in einem hellen Sommerkleid zu sehen statt in dem tristen Sack-und-Asche-Braun, das sie das letzte Mal getragen hatte. Doch Frau Pfisters Stimmung schien keineswegs verbessert. «Ja?», sagte sie mit heiserer, ängstlicher Stimme. Ihre wasserblauen, tiefliegenden Augen wanderten unruhig hin und her.
    «Sie kennen mich ja sicher noch. Winter, Kriminalpolizei. Frau Pfister, ich habe noch ein, zwei Fragen. Könnte ich hereinkommen?»
    «Entschuldigung. Bitte.» Sie hielt die Tür auf.
    «Wie geht es denn Ihrem Mann?», fragte er im Flur. Das Schlüsselbrett hing genau so, wie er es in Erinnerung hatte. Der Schlüssel zum Waffenschrank mit einem roten Anhänger in Form eines Herzens fiel ihm sofort ins Auge. Wer jemals dabei gewesen war, wie der Förster seinen Waffenschrank öffnete, würde sich an diesen Anhänger erinnern.
    Auf die Frage nach ihres Mannes Befinden machte Gunhild Pfister eine hilflose, beinahe behindert wirkende Geste mit beiden Händen, die so ziemlich alles bedeuten konnte. Statt ins Wohnzimmer am Ende des Flurs, von wo man lautstark einen laufenden Fernseher vernahm, führte sie Winter in die Wohnküche. Die zeichnete sich durch eine Achtziger-Jahre-Einbauküche in rustikalem Stil bei neuen weißen Fliesen an Wand und Boden aus. Winter hatte den Eindruck, dass Frau Pfister ihn daran hindern wollte, ihren Mann zu sehen.
    «Hat Ihr Schwiegersohn die Fliesen verlegt?», fragte er unschuldig.
    «Ja. Der konnte viel, der Thomas. Der hat uns auch oben renoviert. Wir hätten’s ja bezahlt, aber er hat kaum was genommen, außer fürs Material.»
    «Steht Ihre Haustür öfter offen?»
    Sie sah ihn ratlos an. «Ich schließe immer zu», sagte sie schließlich. Eben hatte sie aber nicht mal richtig zugedrückt. Winter hatte immer mehr das Gefühl, mit einer leicht geistig behinderten Person zu sprechen. Im Januar hatte er diesen Eindruck nicht gehabt. Er musste es sich einbilden.
    «Hatten Sie in diesem oder dem letzten Jahr mal jemanden aus der Familie Krombach im Haus?»
    Verschreckter Blick. «Kann sein. Das kommt vor.»
    «Wann und wer zuletzt?»
    «Ich weiß es nicht. Mein Gedächtnis ist so schlecht geworden.»
    Beginnende Demenzerkrankung? Oder waren das schlechte Gedächtnis und hilflose Betragen nur gespielt?
    Winter verließ ohne Ankündigung die Küche und kam mit dem Schlüssel zum Waffenschrank in der Hand zurück. «Sie sichern Ihre Waffen nicht korrekt», sagte er. «Diesen Schlüssel müssen Sie versteckt aufbewahren. Er darf nicht für jeden greifbar am Schlüsselbrett hängen. Haben Sie das verstanden?»
    «Ja. Ja, natürlich. Entschuldigung.»
    «Ich werde dafür sorgen, dass bei Gelegenheit jemand von der örtlichen Polizei vorbeikommt und das kontrolliert. Wenn der Schlüssel dann noch am Brett hängt, bekommt Ihr Mann seinen Waffenschein entzogen.»
    Das war zwar eine leere Drohung. So problemlos funktionierte ein Entzug selbst seit den letzten Verschärfungen des Waffengesetzes nicht. Aber Winter wollte ihr Angst machen. Wie man in der Familie Pfister mit Waffen umging, war inakzeptabel. Jeder potenzielle Amokläufer aus Allmenrod hatte Zugang zum Pfister’schen Schrank, wenn er wollte. Es reichte ein bisschen Geduld, ein Vorwand oder eine Kreditkarte, um ins Haus zu kommen.
    Frau Pfister stand noch immer stocksteif mitten in der Küche, die Hände vor dem Körper gefaltet, und machte keine Anstalten, ihm einen Platz oder etwas zu trinken anzubieten. Ganz anders als ihre extrem zuvorkommende Höflichkeit beim letzten Mal, als er hier gewesen war. Winter lehnte sich gegen die Arbeitstheke.
    «Eine Frage, Frau Pfister», begann er. «Ihre Tochter Sabrina hatte eine Lebensversicherung, oder?»
    «Das weiß ich nicht», sagte sie.
    «Merkwürdig. Dabei hatten Sie den Lebensversicherer vom Tod Ihrer Tochter informiert. Also müssen Sie doch von der Versicherung gewusst haben.»
    «Ach so. Das war eine Lebensversicherung? Ich weiß bloß, Sabrina hatte mir einen Zettel gegeben, da stand, ich soll die und die Nummer anrufen, falls ihr mal was passiert. Das wär eine Versicherung, die müsste im Todesfall sofort benachrichtigt werden. Der Thomas wüsste nichts davon. Ich dachte, es geht um Geld für die Kinder.»
    Frau Pfister blickte wieder ganz dumm und ratlos drein. Winter hielt das jetzt für eine Masche. Dement war sie jedenfalls nicht. Er

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