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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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einen guten Schweißhund, und wenn ihr Mann nicht könne, wie jetzt ja immer, würden die Jagdpächter schon einmal sie zur Nachsuche holen. Sie nehme dafür gerne die Smith-Wesson.
    Winter sah sie entgeistert an. Sein Bild von dieser Frau wandelte sich von Minute zu Minute. «Das heißt», fragte er, «Ihr Hund sucht das Tier, das der Jäger in der Nacht verwundet hat und das sich irgendwo versteckt hat. Und wenn der Hund Sie hingeführt hat, erschießen Sie es?»
    «Ich gebe den Gnadenschuss», sagte sie würdevoll.
    «Sie haben einen Jagdschein?»
    «Seit 1998 . Mein Mann wollte das nicht. Aber ich hab ihn trotzdem gemacht.»
    Da eröffneten sich ja ganz neue Perspektiven, dachte Winter. Sie war so stolz auf ihren Jagdschein, dass ihr offenbar egal war, dass sie sich dadurch verdächtig machte. Ihre Stimme hatte noch nie so fest geklungen.
    «Ist der Schweißhund der, der im Wohnzimmer im Körbchen liegt und schläft, als wäre er tot?»
    «Nein. Der Schweißhund ist im Zwinger im Garten. Der Hund im Wohnzimmer ist wirklich tot.»
    «Ausgestopft, meinen Sie?»
    «Ja, natürlich.»
    Ein ausgestopfter Hund. Winter wurde die Familie Pfister immer unheimlicher. Wie war das noch: ein Gnadenschuss?
    «Wie erschießen Sie die Tiere denn genau?», fragte er.
    «Schmerzlos und wildbretschonend», sagte sie, wieder mit dieser Würde in der Stimme.
    «Das heißt?»
    Er sah, wie sich ihr Kehlkopf heftig bewegte. «Kopfschuss», hauchte sie. Dann hielt sie sich die Hand vor den Mund. Winter hatte den Eindruck, dass sie mit einem Würgereiz kämpfte.
    Winter konnte nicht anders.
    «Frau Pfister, haben Sie Ihre Tochter Sabrina getötet? Ein Gnadenschuss, weil sie unter einem tödlichen Hirntumor litt?»
    Sie schüttelte den Kopf, noch immer mit der Hand vorm Mund und jetzt auch mit Tränen in den Augen. Ihr Gesicht war gerötet. Sie sah ihn nicht an.
    Schweren Herzens entschloss sich Winter, ohne eine Verhaftung zu fahren. Er konnte so oder so nicht sicher sein. Gewarnt war Frau Pfister, sie würde nicht gleich wieder töten. In Jörg Krombach hatte er noch jemanden, der nicht gerade unverdächtig war. Und in Frankfurt saßen bereits zwei Personen in der Sache Vogel/Tamm in U-Haft beziehungsweise in Gewahrsam: Wladimir Preiß und Hendrik von Sarnau. Winter kam die Zeichnung der kleinen Merle wieder in den Sinn, die vorhin in einem der Bücher aus dem Hause Vogel aufgetaucht war. Er musste zugeben: Der muskelbepackte Preiß passte nicht schlecht auf die Kinderzeichnung von dem Bewaffneten. Besser als Jörg Krombach, der zwar ein Bär war, aber kein Bodybuilder.
    Wenn Winter jetzt ungeplant mit Frau Pfister ankam, würde Fock von Chaos reden, ausnahmsweise einmal zu Recht.
    ***

Das schlechte Gewissen weckte Winter früh am nächsten Morgen. Um sechs rief er im Polizeigewahrsam an und verlangte, Matthias Olsberg zu sprechen. «Winter. Wollen Sie Ihre Klausur noch schreiben?»
    Er hörte Olsberg kurz die Luft anhalten. «Also», kam es dann von der anderen Seite, «ich hab zwar keine Sekunde geschlafen, und das sind nicht die besten Voraussetzungen, aber doch, ja, ich will die Klausur auf jeden Fall mitschreiben.»
    «Wann und wo findet sie statt?»
    «Von acht bis zwölf, altes Hauptgebäude Mertonstraße, Hörsaal römisch vier.»
    «Gut. Ich hole Sie rechtzeitig ab.»
    «Danke. Danke. Herr Winter? Können Sie mir Stifte und einen anständigen Taschenrechner mitbringen? Es sei denn, Sie fahren mich vorher noch zu Hause vorbei.»
    Winter tauchte um halb acht mit Stiften und Saras Schultaschenrechner in den Hafträumen auf. Er schloss Olsbergs linken Arm per Handschelle an seinen eigenen rechten an. Zu Ärzten oder Gerichtsterminen wurden Häftlinge begleitet, doch keine Polizeivorschrift dieser Welt sah vor, Häftlinge zu Uniklausuren auszuführen. Schon gar nicht, dass ein hochbezahlter Kriminalbeamter selbst den Bewacher spielte. Doch Winter hielt es für praktikabler, das unkonventionelle Unternehmen selbst durchzuführen, als den Dienstweg zu gehen.
    Die Atmosphäre im bunkerartigen Hörsaal war wie eine Zeitreise zu Winters eigener Examensklausur. Die Anspannung der Studenten ließ sich mit Händen greifen. «Toilette: Jeweils nur eine Person», stand an der Tafel notiert. Mögliche Sitzplätze, mit großem Abstand zum nächsten Probanden, waren auf den Hörsaalemporen mit roten Schildchen ausgewiesen. Man musste sich ähnlich wie in einem Wahlraum vorn anstellen, den Ausweis zeigen, dann wurde der Name in einer Liste

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