Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
Vom Netzwerk:
wechselte das Thema. «Wie viele Magnum-Revolver besitzt Ihr Mann eigentlich?», fragte er unschuldig.
    Wahrscheinlich hatte er ins Schwarze getroffen. Gunhild Pfister schluckte dreimal, bevor sie antwortete. «Ich weiß nicht. Doch. Nur den einen.»
    «Aha. Dürfte ich ihn das selber fragen?»
    «Aber – Sie wissen doch …»
    «Ja, ich weiß, dass Ihr Mann einen Schlaganfall hatte. Ich hatte allerdings den Eindruck, dass er noch vieles mitbekommt.»
    Winter wartete nicht darauf, von Gunhild Pfister gebeten zu werden. Unhöflich verließ er die Küche und steuerte das Wohnzimmer an. Gunhild Pfister kam ihm hinterher. In dem gruseligen Wohnzimmer mit den Hirschköpfen und Gewehren an der Wand stand nun zusätzlich ein Pflegebett. Herr Pfister saß wie beim letzten Mal im Rollstuhl vor dem Fernseher und nahm Winter erst wahr, als dieser den Fernseher ausschaltete. Winter stellte sich dem Kranken laut und deutlich vor, dann ging er neben dem Rollstuhl in die Hocke. Er begann mit zwei simplen Einführungsfragen, auf die Pfister eine Ja-Nein-Antwort geben konnte. Und siehe da, der Förster konnte sich mittels Kopfschütteln und Nicken sowie sprachähnlichen Lauten korrekt dazu äußern. «Herr Pfister, jetzt geht es um Revolver. Magnum-Revolver. Null-Vierundvierziger Magnum.» Pfister nickte zum Zeichen, dass er verstanden habe. «Wie viele Magnum-Revolver haben Sie im Haus?»
    Die Antwort kam prompt, mittels eines aufgestellten Daumens, zu dem Herr Pfister ein nasales «Ah» hören ließ. «Einen?», fragte Winter enttäuscht zurück. Pfister nickte mühsam.
    Weg war sie, Winters schöne Theorie. Falls der Mann nicht log.
    Winter erinnerte sich, dass er im Januar vermutet hatte, Pfister wisse etwas über den Mord an seiner Tochter, könne sich aber nicht artikulieren. Da Pfister jetzt besser kommunizieren konnte, probierte Winter es noch einmal. «Herr Pfister, wer hat Ihre Tochter umgebracht?»
    Pfister hielt den Mund offen, sein Gesicht zitterte vor Anstrengung, aber es kam kein Laut, und seine Augen sahen an Winter vorbei. Winter drehte sich in die Richtung, in die der alte Mann blickte: Da stand Gunhild Pfister. Herr Pfister gab schließlich ein Kopfschütteln zur Antwort. Winter hätte schwören können, dass eben eine stille Kommunikation zwischen den Eheleuten stattgefunden hatte. Um genau zu sein, er hätte schwören können, dass Herr Pfister sich nicht traute zu sagen, was er wusste, weil seine Frau es ihm verbot. Winter stellte sich vor, von Carola derart abhängig zu sein, wie es Herr Pfister jetzt von seiner Frau war. Ihn schauderte.
    Er traf einen Entschluss. Im Wohnzimmer hielt er sich nicht mehr lange auf. Wieder in der Küche, fragte er Gunhild Pfister, die ihm nachgefolgt war: «Frau Pfister, wo waren Sie am letzten Dienstag zwischen zehn Uhr vormittags und zwei Uhr nachmittags?»
    Gunhild Pfister fragte nicht, warum und wieso. Sie wusste offenbar, worauf sich die Frage bezog, und schon das sprach nach Winters Meinung gegen sie. «Ich war hier», erklärte sie.
    «Im Haus?», fragte Winter.
    «Ja.»
    «Wer kann das bezeugen?»
    «Mein Mann.»
    Ein sehr verlässlicher Zeuge würde das sein. «Geben Sie mir bitte einen Gefrierbeutel», befahl Winter. Frau Pfister gehorchte, ohne zu fragen, wozu er den Beutel brauche. Den Gefrierbeutel in der Hand, griff Winter nach dem Schlüssel zum Waffenschrank, der seit vorhin auf der Arbeitsplatte lag.
    «Ich muss Ihnen noch einmal Ihren Magnum-Revolver entführen», erklärte er, «für eine weitere kriminaltechnische Untersuchung.» Das war gelogen. Es war ja längst klar, dass bei beiden Verbrechen ein anderer Revolver benutzt worden war als der im hiesigen Waffenschrank. Winter ging es hauptsächlich darum, Gunhild Pfister zu zeigen, dass man sie in Verdacht hatte. Falls sie die Täterin war, ließ sich allein dadurch vielleicht ein weiterer Mord verhindern.
    Anders, als man es von ihr kannte, zeigte Frau Pfister eine Regung des Protests. «Aber … wann bekomme ich ihn wieder?», fragte sie in beinahe verzweifeltem Ton.
    So dringend brauchte sie persönlich die Waffe? Sie musste gemerkt haben, dass etwas an ihren Worten verdächtig klang, und fügte erklärend hinzu: «Das letzte Mal hat es drei Monate gedauert, bis wir den Revolver von der Polizei zurückbekommen haben. Das sind doch teure Sammlerstücke.»
    «Sie hatten also vor, die Waffe in nächster Zeit zu verwenden?», fragte Winter ironisch. Da gab sie doch tatsächlich zur Antwort: Ja! Sie hätten

Weitere Kostenlose Bücher