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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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den Champignons gefunden. Die standen extra in einem kleinen Areal ganz am Rand der Wiese. Champignons gab es an der Stelle gar nicht.»
    Es war also unwahrscheinlicher geworden, dass Frau Feldkamps Vergiftung die Folge eines Versehens war.
    ***
    Als Winter von seinem irregulären Uniausflug ins Präsidium kam, fand er sein kleines Team im Büro von Glocke und Ziering versammelt. Aksoy hatte als Einzige keinen Stuhl, sondern saß energiegeladen mit baumelnden Beinen auf einem Tisch. «Die Laborergebnisse der Pilzuntersuchung aus Mainz sind da», verkündete sie. «Die Knollenblätterpilze, die wir eingeschickt haben, waren nicht giftiger als normal. Sogar eher etwas weniger. Der Mainzer Arzt meint, Birthe Feldkamp muss richtig viele davon gegessen haben. Ein oder zwei würden ihre schlechten Blutwerte keinesfalls erklären.»
    Winter hockte sich ebenfalls auf einen Tischrand. Er war allerdings zu groß, um die Beine baumeln zu lassen. Nicht dass er gewollt hätte. «Gut, das bestätigt den Verdacht. Wie war denn euer Interview mit Olsberg gestern?»
    Aksoy und Jürgen Musso sahen sich an. «Angeblich hat die Feldkamp die Pilze am Sonntagnachmittag gesammelt, also am Tag bevor sie sie gegessen hat», berichtete Musso. «Olsberg will nicht dabei gewesen sein, sondern er habe in seinem Zimmer gesessen und Matheaufgaben für die Uni gemacht. Am nächsten Morgen war er angeblich in einer Vorlesung, und als er mittags nach Hause kam, hatte sie die Pilze schon gebraten und war am Essen. Sie hat ihm auch welche angeboten, aber er hat bloß mal versucht und fand sie scheußlich. Angeblich hatte er noch nie selbst gesammelte Pilze gegessen und konnte sich damit nicht anfreunden.»
    «Hatte er denn selbst irgendwelche Symptome?»
    «Er sagt, er hatte bloß ganz leichte Magenkrämpfe.»
    «Ich habe das Gefühl, er lügt», kommentierte Aksoy. «Es kommt mir komisch vor, dass er sich an den Vortag des Pilzgerichts noch so genau erinnern kann. Das Ganze ist jetzt sieben oder acht Wochen her. Wenn er nichts mit der Pilzvergiftung zu tun hat, war das für ihn ein ganz normaler Sonntag. Da weiß man doch Wochen später nicht mehr, ob man an dem Nachmittag Matheaufgaben oder irgendwas anderes gemacht hat.»
    Winter kaute an seinem Bleistiftstummel-Zigarettenersatz. «Das kann leider alles und nichts heißen», sagte er. «Vielleicht malt er eine vage Erinnerung aus, weil ihr so viele Details von ihm wissen wolltet. Dass er selbst die Pilze nicht gegessen hat, obwohl sie ihm angeboten wurden, ist allerdings verdächtig. Na ja, und dann ist er eben der Einzige, der die Gelegenheit gehabt hätte, der Feldkamp Giftpilze dazwischenzumischen. – Hilal, könntest du dir irgendwas ausdenken, wie du Olsberg testen kannst, ob er Knollenblätterpilze und Champignons auseinanderhalten kann? Oder ob er diese Stelle kennt, wo die Knollenblätterpilze wachsen? Irgendeine Trickfrage?»
    «Ich überleg mir was», sagte sie. «Aber er wird auf der Hut sein. Wird nicht leicht werden, ihn zu überrumpeln. Apropos, wo ist Olsberg denn eigentlich? Wir wollten ihn heute Morgen holen, und da hieß es, du hättest ihn schon abgeholt.»
    Winter war das leicht unangenehm. «Ich hab dafür gesorgt, dass er seine Klausur schreiben kann», erklärte er möglichst neutral.
    Aksoy kicherte. «Was ist daran so lustig?», fragte Winter.
    «Nichts. Aber wenn ich das gemacht hätte, hättest du mir sicher vorgeworfen, ich sei zu zartfühlend mit dem Beschuldigten. Ein brutaler Mörder noch dazu.»
    Winter verdrehte die Augen. «So, so. Ich hätte dir vor allem vorgeworfen, als kleine, schwache Person allein mit einem wesentlich stärkeren männlichen Gefangenen rauszugehen. Das wäre ein bisschen sehr gefährlich gewesen. Aber mir ist natürlich klar, was du von dieser meiner Fürsorge dir gegenüber hältst. Verstoß gegen das Antidiskriminierungsgebot und so.»
    Sie sagte nichts, strahlte bloß keck vor sich hin und ließ die Beine baumeln wie ein kleines Mädchen. Wie hatte er sie nur jemals für verkniffen und verbissen halten können?
    «Moment», sagte er dann, «wartet mal.» Er ging rüber in sein Büro, holte die gestern entdeckten Kinderbilder.
    «Was haltet ihr davon?», sagte er und gab die beiden Blätter herum. «Gemalt von Merle Vogel, wahrscheinlich in der Woche vor dem Tod ihrer Eltern.» Er gab absichtlich keine Bewertung, wollte das unvoreingenommene Urteil der anderen hören.
    Aksoy blieb an dem wunderlichen Familienporträt hängen und inspizierte

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