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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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mit dazuzuholen, es sei wichtig und eilig. Dann informierte er die beiden Herren über die Entwicklungen. Erst einmal nur betreffs des Vogel-Doppelmords.
    Fock nahm die Neuigkeiten schockiert und ungläubig auf. Nötzel war in erster Linie genervt. Sein Prozess gegen Wladimir Preiß hatte schon begonnen. Nun musste er dem Gericht mittendrin erklären, dass die Staatsanwaltschaft sich getäuscht hatte und die Anklage zurückzog. Für ihn eine peinliche Niederlage.
    «Gehen wir damit heute an die Presse?», fragte Fock zweifelnd.
    «Lassen Sie uns zwei Tage warten, bis wir mehr Details zusammenhaben», schlug Winter vor.
    Während er noch bei Fock saß, fiel Winter siedend heiß der gerade «verstorbene» Herr Pfister ein, den er gänzlich vergessen hatte. Der Mann war hoffentlich noch nicht beerdigt. Zurück in seinem Büro, rief Winter bei den Kollegen in Lauterbach an, berichtete kurz vom gestrigen Amoklauf Frau Pfisters und ihrem Abschiedsbrief und schlug vor, eine Obduktion des Mannes zu veranlassen.
    Als er auflegte, betrat Aksoy den Raum. Sie wirkte todunglücklich, nahm sich den Klappstuhl und setzte sich Winter gegenüber an den Tisch. «Andi, weißt du, was das Schlimmste ist?»
    «Sag es mir», sagte er und nahm ihre Hand mit den kindlich kurzgeschnittenen unlackierten Fingernägeln in seine. («Sie macht wohl auf Kampflesbe», hatte er über ihre Fingernägel gedacht, früher, als er sie nicht leiden konnte.) Kettler sah von seinem Schreibtisch aus zu und pfiff durch die Zähne. Beide ignorierten ihn, und Kettler verließ den Raum mit den Worten, er wolle die Turteltäubchen nicht stören.
    «Ich bin schuld», sagte Aksoy. «Ich hätte es wissen müssen.»
    Winter schüttelte den Kopf. «Das konnte niemand wissen.»
    «Ich schon. Ich hab die Kinder damals selber ihre Sachen packen lassen. Sie hatten zwei kleine rosa Kinder-Rollkoffer. Ich weiß noch genau, als ich die in den Kofferraum gehoben habe, war Merles Koffer so schwer. Da hab ich gestutzt und mich gefragt, was hat sie denn dadrin. Und dann, während ich noch am Nachdenken war, kam das Auto mit den Leuten von der MK , und ich war abgelenkt und irgendwie … Ich frag mich jetzt, ob ich es vielleicht gar nicht wissen wollte.»
    «Es lag einfach zu fern. Wir alle haben den Kindern vertraut, sie waren ja selbst so unglücklich über das, was mit ihren Eltern geschehen war. Ich hätte es übrigens genauso ahnen können wie du. Ich wusste zum Beispiel, Merle macht diese Ballerspiele am Computer. Und Frau Pfister hatte erzählt, Merle sei immer mit ihrem Mann, dem Förster, in den Wald gegangen. Da hätte man doch ahnen können, dass ihr Schusswaffen nicht so fremd sind wie anderen Mädchen in dem Alter. Außerdem war ich mir seit meinem Gespräch mit Jörg Krombach praktisch sicher, dass der alte Herr Pfister mehr als nur einen Magnum-Revolver besaß. Weil aber im Waffenschrank in Allmenrod nur einer war, hab ich gedacht, ich muss mich täuschen … Dabei lag es so nahe, dass der zweite Revolver als Familienerbstück an Vogels weitergereicht worden war. Ach, Hilal, es gab tausend Indizien, die ich übersehen habe.»
    Sie entzog ihm sanft ihre Hand. «Es gab noch eine Situation, da hätte ich es wissen müssen», sagte sie. «Als du uns dieses Bild gezeigt hast, das sie gemalt hat. Dieses Familienporträt, meine ich. Sie hatte ihrem Vater dieses braune, stachelige Ding zwischen die Beine gemalt, und mir kam der Gedanke, ob der Vater Merle missbraucht haben könnte. In dem Moment hatte ich Merle eine Sekunde in Verdacht, ihn erschossen zu haben. Aber dann habe ich gedacht, das kann nicht sein. Denn Sabrina Vogel ist ja als Erstes erschossen worden, und Merle hat ihre Mutter geliebt. Die Kinder haben doch die Nacht bei mir verbracht, nachdem es passiert war, und Merle hat im Halbschlaf lange vor sich hin gejammert und nach ihrer Mami gerufen. Später kam mir die Idee, der Vater hätte die Mutter erschossen und Merle dann zur Strafe ihn, aber das passte nicht auf die Tatortbefunde.»
    Winter nickte. «Merle hatte aber auch ihrer Mutter einen braunen Igel ins Gesicht gemalt», sagte er. «Den Hirntumor. Im Prinzip hat das Bild alles verraten, wenn wir es nur richtig gedeutet hätten. Aber dazu hätten wir diese Dämonengeschichte kennen müssen. – Jeder, der mit diesem Fall befasst war, wusste, die Kinder waren im Haus, als es passiert ist. Aber keiner ist drauf gekommen, dass sie es gewesen sein könnten. Und das hat gute Gründe. Ich kenne sämtliche

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