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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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Birthe mussten früh raus, Wolke für den Kindergarten und Melli für die Schule fertig machen. Es war anstrengend, jeder Schritt, vom Anziehen übers Essen und Zähneputzen und Aufs-Klo-Gehen eine Hürde, über die man die Kinder bringen musste. Als sie endlich fertig waren, brachte Birthe die beiden zu Fuß zu Kindergarten und Grundschule. Birthe selbst ging von dort zu ihrem Arbeitsplatz an der Förderschule weiter.
    Matthias hatte um neun Vorlesung.
    Doch während der Professor dozierte, war er nicht bei der Sache. Er grübelte, ob er bei Birthe nicht besser sofort ausziehen müsste, weil ihm das alles zu viel war. Aber wohin sollte er? Sein reserviertes Wohnheimzimmer war schon an den Nächsten auf der Warteliste vermietet.
    Als Matthias gegen halb zwölf von der Uni zurückkam, hatte er sich etwas beruhigt. In der Diele empfing ihn Essensgeruch. Es roch nach Pilzen. «Hey», rief er überrascht, «du bist schon zurück?»
    Da streckte die kleine Melli ihren Kopf aus der Küche und sah ihn verschmitzt an. «Pssst», sagte sie. «Ich bin hier. Ich hab gekocht, dann kannst du der Birthe sagen, du warst das!»
    Dieses verrückte, frühreife Kind. Sie musste gestern Mittag mitbekommen haben, dass Birthe sich beschwerte, Matthias würde sie wohl für seine Köchin halten, und sie würde von jetzt an erwarten, dass er sich an den Haushaltstätigkeiten voll beteilige. Melli wollte es anscheinend wiedergutmachen, dass sie gestern so unmöglich zu ihm gewesen war. Matthias ließ seine Tasche an der Garderobe liegen, kam in die Küche und sah, dass Melli sich die kleine Trittleiter vor den Herd gestellt hatte. Da schmurgelten die Pilze in zwei kleinen Pfannen. Auf dem Tisch lagen Zwiebelschalen herum, ein benutztes Brettchen, ein Messer und eine offene Butterpackung.
    «Du hast zu Hause bestimmt öfter gekocht, stimmt’s?»
    «M-hm.» Sie nickte stolz. «Weil, die Sabrina, also meine Mutter, also, manchmal konnte sie nicht. Und dann hat sich der Thomas aufgeregt, wenn kein Essen fertig war. Und die Sabrina hat mir gezeigt, wie alles geht, weil sie auch wusste, dass sie nicht mehr lange da sein würde. Aber wir sagen der Birthe nicht, dass ich das war, stimmt’s?»
    Matthias setzte sich, beobachtete, wie Melli routiniert die Pilze auf zwei Teller schaufelte, die sie auf der Arbeitsplatte neben dem Herd bereitstehen hatte. Unglaublich. Dann dachte er an sich selbst. Wie er als Sechsjähriger seiner Schwester die Windeln gewechselt hatte, weil seine Mutter es im Drogenrausch vergaß. Eine Welle von Liebe und Solidarität zu Melli regte sich in ihm.
    «Müsstest du nicht bis drei in der Schule sein?», fragte er.
    «Bin übern Zaun geklettert», verriet sie. Ihre Grundschule lag nur einen Steinwurf entfernt. «Aber ich geh gleich wieder hin. Du verrätst das niemandem, stimmt’s? Versprochen?»
    «Versprochen. Aber du brauchst mir auch nicht mehr kochen zu helfen, Melli. Ich krieg das schon alleine hin. Und wenn Birthe mal sauer auf mich ist, ist es nicht so schlimm.»
    «Okay», sagte sie, nahm einen Teller und trug ihn ins Esszimmer.
    «Das ist deiner», sagte sie. «Dann kannst du schon anfangen.»
    Sie legte ihm sogar noch Besteck hin. Dann hörte man den Schlüssel im Schloss der Haustür. Melli zuckte zusammen. Sie legte den Finger auf den Mund und flitzte auf leisen Sohlen ins Wohnzimmer, wo sie aus der Terrassentür schlüpfte. Matthias lachte und schüttelte den Kopf.
    «Hallo», rief Birthe von der Tür.
    «Hallo», rief er zurück und pickte ein winziges Stückchen Pilz von seinem Teller mit der Gabel auf. Er wusste echt nicht, ob er dieses selbst gesammelte Zeugs essen wollte. Ein Pilzfan war er sowieso nicht. «Hey, du hast ja gekocht!», rief Birthe. «Mensch, riecht das gut!»
    Matthias verzog das Gesicht. Der Geschmack war ungewohnt, aber vor allem störte ihn die Konsistenz. Mit zweifelndem Gesicht holte er den von Merle aufgeschöpften zweiten Teller aus der Küche. Birthe war nicht zu sehen, wahrscheinlich gerade im Bad.
    Als sie in der Essecke auftauchte, hatte er sich gerade entschieden, auf seine Pilze zu verzichten, und bot Birthe seinen Teller an.
     
    «Sie denken also, das Mädchen hatte Giftpilze unter das Essen gemischt», schloss Winter.
    «Ja. Und zwar bestimmt nur in die Pfanne, von der sie mir aufgeschöpft hat. Ich nehme an, dass sie mich loswerden wollte, nicht Birthe.»
    «Woher soll sie die Giftpilze denn gehabt haben?»
    «Sie muss sie an dem Morgen gesammelt haben. Nicht sehr weit

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