Schattenhaus
Furchtbares geschehen, damit nur endlich diese Anspannung vorbei wäre. Die ewige Sorge um Sabrinas Wohl zermürbte sie. Es war ja alles vergeblich. Sabrina konnte ihrem Schicksal nicht entgehen. Der Fluch eines frühen Todes, den Jörg bei ihrer Taufe ausgestoßen hatte, der würde so oder so sein Werk tun.
Nachts um drei kam Reinhard nach Hause, grimmig. «Das Arsch kann meine Tochter vögeln, aber umbringen wird er sie nicht», verkündete er. Ohne weitere Erklärungen legte er sich ins Bett. Sabrina kam um vier, rotbackig und aufgedreht, in ihren Haaren und der Bekleidung steckten Pflanzenteile, und Gunhild musste an die tote Rosemarie denken. Schämte sich Sabrina denn nicht, dass jeder sehen konnte, sie hatte sich am Boden gewälzt? Sie sei den ganzen Abend mit dem Jörg zusammen gewesen, erzählte sie fröhlich im Wohnzimmer, wo Gunhild all die Zeit auf sie gewartet hatte. Sabrina schien stolz, dass der wesentlich Ältere sie umgarnte. Der Jörg habe sie auch mit dem Motorrad nach Hause fahren wollen. Aber die Reifen seien zerschossen gewesen. Einige Zeit vorher habe man Schüsse gehört, und alle hätten gedacht, jemand vom Schützenverein schieße in die Luft. Jörg habe getobt vor Wut angesichts der kaputten Reifen. Am Ende habe der Willy von der Burschenschaft sie beide mit dem Auto nach Hause befördert.
«Kind, halt dich vom Jörg fern», sagte Gunhild dazu nur. «Der will dir nichts Gutes.»
Sabrina kannte die alten Geschichten natürlich. Sie wusste auch, wem sie es zu verdanken hatte, dass sie im Dorf so unbeliebt war.
«Ach, Mama!», rief Sabrina. «Immer bist du so negativ. Wenn gute Vibrationen von einem ausgehen, passieren einem auch gute Sachen.»
Am nächsten Tag beim Frühstück teilte Reinhard Sabrina mit: Wenn sie noch einmal so blöd wäre, sich vom Jörg Krombach durchficken zu lassen, dann werde er sie persönlich erschießen, dann sei sie nämlich zu dumm für diese Welt.
Keine der beiden Frauen am Tisch wagte einen Kommentar. Man hörte danach nie wieder, dass Sabrina Kontakt mit Jörg pflegte.
Bis zu diesem Sommer. Da hatte Gunhild Sabrina mit Jörg auf der Dorfstraße reden sehen, während Reinhard mit Enkeln und Schwiegersohn in den Wald gegangen war.
In der folgenden Nacht war Sabrina die Treppe heruntergefallen. Angeblich.
***
Als Winter am folgenden Morgen Fock über den Ausflug nach Allmenrod berichtete, zeigte der sich irritiert. «Hätten Sie nicht abwarten können, bis Kettler mit dem Preiß fertig ist? Dann hätten Sie sich die Aktion sparen können.»
«Inwiefern?»
«Der Tatverdächtige hat sein Geständnis bestätigt. Bloß bei ein paar Details gibt’s Änderungen. So soll ihn die Renate Vogel zwar nicht bezahlt haben, aber angestachelt schon.»
«Was will der Preiß denn bei der Familie Vogel gewollt haben?»
«Diamanten, die der Thomas Vogel laut seiner Mutter besessen haben soll.»
Winter verdrehte die Augen. Zierings Idee mit den Diamanten hatte Kettler garantiert von Glocke und sie dann dem Verdächtigen suggeriert.
«Und woher wusste Renate Vogel von den Diamanten», fragte er, «wenn sie seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrem Sohn hatte? Und wo sind die Steine jetzt?»
Steffen Leibold hatte keine Anzeichen für den Kauf von Diamanten oder Gold in Vogels Unterlagen oder auf seinem Rechner gefunden. Im Vogel’schen Haus war auch nichts dergleichen gefunden worden. Ebenso wenig in der Wohnung von Renate Vogel, die die Spurensicherung vorgestern auf den Kopf gestellt hatte – dafür allerdings einiges wertloses Diebesgut, das ihr Mieter Preiß bei mehreren Einbrüchen in Kleingärten erbeutet hatte.
«Ach, Winter, machen Sie doch nicht immer alles so kompliziert. Wir haben den Täter. Ihre Fahrt in den Vogelsberg gestern war reine Spritverschwendung.»
«Das sehe ich anders. Wenn der Vater einer Getöteten eine Waffe des Kalibers besitzt, mit dem die Tat begangen wurde, dann muss man diese Waffe überprüfen. Selbst wenn der Preiß schuldig ist. Sonst bringt dessen Verteidigung bei Gericht Ermittlungsschlamperei vor, um auf unschuldig plädieren zu können.»
«Ach, Winter! Es ist nicht jeder Verteidiger derart ausgebufft. Je nun, jetzt haben wir die Waffe, dann soll die KT sie untersuchen. Wie lange dauert das?»
«Bis heute Abend. Es liegt wohl im Moment nicht viel an.»
«Gut. Wenn das Ergebnis nichts Neues bringt, dann übergeben wir den Fall heute noch an die Staatsanwaltschaft.»
***
«Krumme Weiden» hieß die Straße am nordöstlichen
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