Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
Vom Netzwerk:
Rand des Stadtteils Nied. Sie war eher ein Feldweg denn eine Straße. Nur auf einer Seite standen Häuser, erhöht auf einem Erdwall. Nach Norden lagen Wiesen, Gestrüpp und die Nidda. Irgendwo in der Nähe war ein Reiterhof, auf dem Weg dampften Pferdeäpfel. Winter fühlte sich unwillkürlich an die einsame Lage des Vogel’schen Hauses in Kalbach erinnert.
    Er war hier mit Birthe Feldkamp verabredet, einer Schulkameradin Sabrina Vogels, deren Adresse Ziering herausbekommen hatte. Da die Frau in Frankfurt wohnte und telefonisch erreichbar gewesen war, hatte Winter beschlossen, die verbliebene Ermittlungszeit für ein Gespräch mit dieser Feldkamp zu nutzen. Als er die Adresse erreicht hatte, stellte er erstaunt eine weitere Parallele zu den Vogels fest: Birthe Feldkamp wohnte in einem Einfamilienhaus, sehr ungewöhnlich in Frankfurt. Das Haus wirkte zwar nicht so düster wie das der Vogels, dafür vermittelte es – orange und weiß gestrichen – nicht nur innen, sondern auch außen ebenfalls den Eindruck «Villa Kunterbunt». Birthe Feldkamp selbst passte perfekt dazu, mit ihren Sommersprossen, der mageren, knochigen Gestalt und ihren krausen hellroten Haaren, die lange keinen Friseur mehr gesehen hatten. Die Mähne fiel ihr zottelig fast bis zum Gesäß.
    Sie wohne hier allein, antwortete sie auf Winters erste Frage. Nein, sie sei nicht verheiratet, habe auch keine Kinder. Sie sei Lehrerin an einer Sonderschule ganz in der Nähe.
    «Und davon kann man sich in Frankfurt ein Haus leisten?», wunderte sich Winter.
    Sie lachte. «Natürlich nicht. Ich hab vor ein paar Jahren was geerbt. Beziehungsweise geschenkt bekommen. Von der Omi.»
    Noch eine Parallele. Aber das war absurd, es ergab keinen Sinn.
    «Darf ich Sie fragen, wann Sie zuletzt Ihre Schulkameradin Sabrina Vogel, geborene Pfister, gesehen haben?»
    «Sabrina Pfister? Das weiß ich nicht genau. Kann Jahre her sein. Wir sind uns in der Stadt mal über den Weg gelaufen. Da habe ich noch studiert. Daher weiß ich, dass Sabrina auch noch in Frankfurt ist. Aber außer dem einen Mal hatten wir eigentlich keinen Kontakt.»
    «Was heißt eigentlich?»
    «Gar nichts. Wir hatten definitiv keinen Kontakt, Punkt. – Was ist denn mit der Sabrina?»
    «Sie wurde in der Nacht nach Weihnachten in ihrem Haus ermordet.»
    «Was? O Gott. Das ist ja grauenhaft.» Birthe Feldkamp riss ihre Augen weit auf und rutschte auf dem Sessel ganz nach vorn. «Sie suchen den Täter? Deshalb sind Sie hier?»
    «Richtig.»
    «War es denn nicht Sabrinas Mann?»
    «Kam der Ihnen so vor, als würde er demnächst seine Frau umbringen?»
    Feldkamps grüne Augen waren nachdenklich auf Winter gerichtet. «Ja – nein. Nicht unbedingt. Er war an dem Tag dabei, als wir uns zufällig getroffen haben. Ich dachte mir bloß, das war ja klar, dass Sabrina sich den Erstbesten nimmt und Kinder bekommt und einen auf Muttertier macht. – Aber ist es denn nicht meistens der Mann, wenn eine Frau ermordet wird?»
    «In diesem Fall nicht. Herr Vogel wurde ebenfalls erschossen.»
    «Uff! Das ist ja heftig.»
    «Es kann allerdings gut sein, dass Sabrina Vogel das eigentliche Ziel des Mordanschlags war. Wissen Sie von jemandem aus Sabrinas Vergangenheit, der ihr Böses wollte?»
    «Sie meinen, aus der Schulzeit?»
    «Zum Beispiel.»
    Sie grübelte wieder, länger diesmal.
    «Also, wissen Sie, Sabrina war nicht gerade beliebt. Aber eher hat
sie
Grund, jemanden von früher umzubringen, als umgekehrt. Der wurde manchmal richtig übel mitgespielt.»
    «Zum Beispiel?»
    «Zum Beispiel haben wir einmal im Sportunterricht Völkerball gespielt, also, da wurden Mannschaften gebildet, und natürlich kam sie als Letzte unter, weil niemand sie wählen wollte. Und sie wurde bei Ballspielen auch nie angespielt. Nur ist es bei Völkerball ja so, dass man die Leute von der gegnerischen Mannschaft mit dem Ball treffen muss. Und dann war sie als Letzte auf dem Feld übrig geblieben, und jemand von den anderen hat auf sie gezielt und sie auch getroffen, und der Ball prallte von ihr ab und rollte weg, irgendwo in die Hallenecke. Einer sollte dann den Ball holen gehen, und der sagte: ‹Igitt, den Ball fass ich nicht an, den hat das Pfister berührt.› So wurde Sabrina genannt, ‹das Pfister›. Das mit dem Ball fanden alle lustig, und es wurde eine Art Massenhysterie daraus, alle weigerten sich, den Ball anzufassen und schrien, iii, da ist Pfister-Schleim dran, und dergleichen. Der Lehrer hat dann schließlich das Spiel

Weitere Kostenlose Bücher