Schattenhaus
einem extrem unsympathischen Ehrgeiz ausgestattet. Jedenfalls, sie war nach Aktenlage besser als die Mitbewerber. Wenn ich dann jemand anderen vorziehe, da weiß man doch bei der, sie rennt zur Frauenbeauftragten und veranstaltet ein Riesengezänk wegen Diskriminierung. Als würde die Regelung nicht in Wirklichkeit Männer diskriminieren, schließlich heißt es doch: Bei gleicher Qualifikation sind Frauen bevorzugt einzustellen. Aber wem sage ich das. Jedenfalls, ich habe mich gezwungen gefühlt, diese Aksoy zu nehmen. Und dann sagt sie mir im Gespräch, sie will am liebsten zu Ihnen ins Team. Da hab ich mich aber auf die Hinterbeine gestellt und der Dame mitgeteilt: Das ist definitiv nicht drin. Hab ihr klipp und klar gesagt, Sie hätten im letzten Jahr schlechte Erfahrungen mit ihr gemacht und ich würde meinem besten Mitarbeiter nicht jemanden ins Nest setzen, den er ausdrücklich nicht haben will. Habe ich Ihnen da nicht einen großen Gefallen getan, sagen Sie mal, Winter?»
Winter war entsetzt. Als er wieder sprechen konnte, sagte er: «Chef, Sie müssen da irgendwann mal was missverstanden haben. Ich halte die Frau Aksoy nicht für inkompetent. – Wann war das denn, dass Sie mit ihr gesprochen haben?»
«Vor drei Wochen ungefähr. Ende Mai.»
Seit etwa einem Monat hatte Winter Hilal Aksoy nicht mehr gesehen. Er richtete es öfter so ein, dass er ging, wenn sie kam, sodass sie sich «zufällig» unten trafen. Allerdings nicht zu oft, es sollte nicht auffallen. Zuletzt hatte er den Eindruck gehabt, dass Aksoys Dienstzeiten sich verschoben hatten.
«Wann fängt sie denn im K 11 an?»
«Sie ist ja schon hier. Seit dem Ersten des Monats.»
Und hatte ihn gemieden wie die Pest. Winter wurde ganz flau im Magen.
Als er tief in Gedanken in sein Büro zurückkehrte, fragte Kettler fröhlich: «Na, was hat Fock gesagt?»
«Was du ihm gesagt hast, dass er sagen soll», brummte Winter.
Doch das war akut nicht einmal sein größtes Problem.
***
André Bründl traute Professor Grafton inzwischen alles zu. Zum Beispiel diese Ausgrabung am Rand des Rothaargebirges, ein angeblich über siebentausend Jahre altes Skelett, dem man einen goldenen Stab mit ins Jenseits gegeben hatte. Der Stab trug rätselhafte mythologische Motive, die an Altägypten erinnerten. Doch das Grab war zweitausend Jahre älter als die erste ägyptische Hochkultur. Wie, wenn das Skelett in Wahrheit viel jünger war? Oder der sensationelle Stab eine moderne Fälschung, hergestellt in einer diskreten Werkstatt in Osteuropa oder im Orient, und von Grafton in die Grabung geschmuggelt? Im Institut munkelte man, Grafton habe sich den goldenen Stab als bedeutenden Fund für 100000 Euro vom Land Hessen abkaufen lassen.
Doch als André seinen Bruder anrief und ihm von dem Verdacht berichtete, sagte der bloß: «Verrenn dich nicht.»
André fühlte sich mehr und mehr wie in einem kafkaesken Albtraum, in dem sich alle gegen ihn verschworen hatten.
***
Winter musste es jetzt tun. Aufschieben würde es nur schwieriger machen. Nachdem er nachgesehen hatte, in welchem Raum Aksoy ihren neuen Arbeitsplatz hatte, ging er geradewegs hin, klopfte, öffnete die Tür. Aksoy war da, sah ihn beinahe erschrocken an. Natürlich war sie nicht alleine: Jürgen Musso, ein festes Mitglied der MK 2 , saß ihr am Doppelschreibtisch gegenüber. Winter hielt sich nicht lange mit Grußworten auf. «Hilal, kommst du mal? Ich müsste einen Moment mit dir alleine sprechen.»
Sie kam, wenn auch unwillig, lehnte sich draußen an die Wand, verschränkte die Arme wie schützend vor dem schwarzen Rolli und sah ihn kühl an.
«Ich habe eben mit Fock gesprochen, und dabei erzählte er mir, dass du dich hier beworben hattest und dass er dir gesagt hätte, dass er dich keinesfalls in mein Team setzen kann, weil ich das nicht wolle. Ich wollte dir nur sagen, dass das totaler Unsinn ist. Ich hätte dich sofort genommen, wenn ich gewusst hätte, dass du dich beworben hast. Warum hast du mir das eigentlich nicht gesagt? Dass du dich bei uns bewerben willst, meine ich?»
«Ich wollte da nichts Persönliches reinbringen», sagte sie, ohne ihm ins Gesicht zu sehen. «Also, ich wollte nicht, dass du denkst, ich erwarte, dass du meine Bewerbung unterstützt, bloß weil wir … öfter miteinander reden. Aber da hätte ich mich ja auch geschnitten gehabt.» Sie lachte traurig.
«Was? Unsinn. Ich sagte doch, ich hätte dich gern im Team.»
Sie hob die Brauen, stand noch immer genauso
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