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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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alle bloß Angst vor Knollenblätterpilzen, so ein Schwachsinn. Sie zog den Teller an ihren Platz und aß ihn auf. Und ihren eigenen noch dazu.
    Gegen Abend merkte sie von einer Minute auf die andere, dass sich bei ihr ein schwerer Magen- und Darminfekt entwickelte. Eben noch alles in Ordnung, plötzlich eindeutig schwer krank im Bauch. Eine halbe Stunde später ging es ihr so elend wie noch nie in ihrem Leben. Sie kam aus dem Bad nicht mehr heraus, hielt aber ihre Krankheit noch bis in die frühen Morgenstunden für einen Norovirus, weil sie sich absolut sicher war, nur die richtigen Pilze gesammelt zu haben. Hatte sie nicht auch die von Matthias gesammelten überprüft, jeden einzeln?
    Gegen vier Uhr nachts erlitt sie im Bad einen Kreislaufzusammenbruch. Nicht lange danach bekam sie mit, wie Sanitäter eintrafen und sie dahin transportierten, wo sie hingehörte: ins Krankenhaus.
    ***
    Für Kettler war der Fall von dem Moment an erledigt, in dem der junge Arzt ihm gesagt hatte, die Kranke habe die Pilze selbst gesammelt. Als die Kranke nun noch erzählte, sie habe zwei Teller Pilze verspeist, da war Kettlers Ansicht nach auch geklärt, worüber der Arzt sich so gewundert hatte: die Höhe der Giftdosis.
    «Ich weiß überhaupt nicht, wie es passiert ist», wiederholte unterdessen Birthe Feldkamp immer wieder. «Ich habe doch jeden Pilz einzeln überprüft.» Dazu dachte Kettler sich seinen Teil. Diese Pilzsammler, die irgendwelche giftverdächtigen Schwammerl in die Pfanne hauten, deren Genießbarkeit man erst mit einem Bestimmungsbuch überprüfen musste, die konnte er wirklich nicht verstehen. Wenn man von so einer Mahlzeit krank wurde, war man selber schuld und hatte nicht das Recht, von der Polizei zu erwarten, dass sie sinnlose Ermittlungen anstellte.
    Kettler verzichtete auf weitere Nachfragen und verabschiedete sich, so schnell es ging. In der Tür kam ihm ein junger Mann mit kurzen dunklen Haaren entgegen. Ohne ein Wort schob Kettler sich an dem Fremden vorbei; er hörte noch, wie der etwas von schlechten Nachrichten erzählte. Draußen steuerte Kettler die nächste öffentliche Toilette an, um sich die Hände zu waschen.
    Irgendwie war ihm der Spruch eines alten Biologielehrers in den Sinn gekommen: «Man sollte einen Knollenblätterpilz nicht einmal anfassen.»
    ***
    Am folgenden Morgen lag Birthe Feldkamp mit gelbem, abwesendem, vor kaltem Schweiß glänzenden Gesicht auf der Intensivstation.
    Sven Kettler traf um Viertel nach neun im Präsidium ein und wandelte erst einmal beschwingt zum Zimmer von Glocke und Ziering, um in der Tür stehend von seinem gestrigen Tennismatch gegen den Top-Sportler seines Vereins zu schwärmen. Unglaubliche Volleys habe er geliefert und nur knapp verloren.
    «Was hast du denn betreffs der Pilzvergiftung gestern herausbekommen?», fragte Winter, als Kettler sich schließlich an seinen Schreibtisch setzte.
    «Das ist nichts für uns», verkündete Kettler. «Ich schreib jetzt einen Zweizeiler, damit die Staatsanwaltschaft die Sache abschließen kann.» Nachdem er fertig getippt hatte, las Kettler, der nie lange still sein konnte, Winter launig vor, was er verfasst hatte: «‹Aufgrund der Tatsache, dass Frau Feldkamp die von ihr verzehrten Pilze nach eigener Aussage selbst gesammelt hat, ist die Schuldfrage bereits geklärt, und der Sachverhalt fällt nicht in den Aufgabenbereich der Polizei.› – Hab ich doch klasse formuliert, oder?»
    Winter sah auf. «Wie, sagst du, heißt die Frau?»
    «Ähm – Feldkamp, Birthe Feldkamp.»
    «Mensch, Sven, das ist doch eine Zeugin im Fall Vogel. Eine Schulfreundin von Sabrina Vogel.»
    «Ach, der alte Doppelmord. Ich wusste erst gar nicht, wovon du redest. Tja, Zufälle gibt’s …»
    «Ich wäre mir nicht sicher, ob das wirklich ein Zufall ist.»
    «Was soll das denn sonst sein als Zufall? Da gibt es doch überhaupt gar keinen Zusammenhang.»
    Winter war der Meinung, dass man nach möglichen Zusammenhängen erst einmal forschen müsste. Wie jedoch zu erwarten, sah Kettler das anders. Ganz anders.
    «Ich spreche mal mit Fock in der Sache», beschloss Winter, um Vorwürfen wegen Eigenmächtigkeit oder mangelnder Absprache zu entgehen.
    «Bitte, tu das», sagte Kettler schnippisch.
    In Focks Vorzimmer erfuhr Winter von Hildchen, dass Fock da sei, aber gerade telefoniere. Eine Minute später ging die Tür auf, und Fock erschien. «Ach, Winter, da sind Sie ja schon», waren seine Worte. Übles ahnend, folgte Winter seinem Chef in das

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