Schattenhaus
entgegnete Aksoy, «dass Sie kleines Archäologenmännchen von Rechtsdingen echt wenig Ahnung haben.»
Winter grinste. Der Charakterkopf Graftons lief rot an, der Professor öffnete den Mund wie ein nach Luft schnappender Fisch und schloss ihn wieder, sich offenbar eines Besseren besinnend. «Für jemanden, der nicht Mitglied der Oxford Policy Foundation ist und nicht mal einen Doktortitel besitzt, nehmen Sie sich ganz schön was raus », sagte er schließlich.
«Wie viel haben Sie eigentlich für dieses Haus bezahlt?», fragte Winter unvermittelt. «Nur so interessehalber, ich fürchte ja, ich könnte mir so was nie leisten.» In Wahrheit spekulierte Winter, ob Grafton in Geldnot war, weil er sich mit der Villa übernommen hatte. Wäre er so weit gegangen, die Putzfrau zu erschießen, um einen Überfall auf das eigene Haus zu fingieren und ein paar Versicherungsgelder zu kassieren?
«Der Preis meines Hauses dürfte Ihre bescheidenen Mittel in der Tat übersteigen», war Graftons überhebliche Antwort.
«Ihre als Professor nicht auch? Auf einige Millionen schätze ich Ihr wertes Domizil schon. Das kann niemand mit normalem Gehalt bezahlen.» Winter hatte vorhin bei einer Immobilienwebsite nachgesehen. Die einzige derzeit angebotene Frankfurter Westendvilla kostete schlappe 4 , 2 Millionen Euro. Selbst mit einem Netto-Jahresgehalt von 100000 Euro müsste man dafür vierzig Jahre lang sein gesamtes Gehalt ansparen.
«Mein guter Mann», belehrte ihn Grafton, «Sie glauben doch nicht, dass ich meinen Job an der hiesigen Alma Mater für das bisschen Geld mache. Den mache ich aus Liebhaberei. Ich habe unabhängige Mittel. Hatte ich mich eigentlich vorgestellt?»
«O ja, das hatten Sie», warf Aksoy ein. «Viscount of Blaby und so weiter. Mit ehrlicher mittelalterlicher Raubritterei und Schutzgelderpressung verdientes Geld. – Warum sprechen Sie eigentlich als Brite so perfekt Deutsch? Liegt das auch am Adel?»
Grafton sagte würdevoll: «Ich habe einen Teil meiner Jugend in Deutschland verbracht. Mein Vater war Offizier bei der britischen Rheinarmee.»
«Der hat den Job sicher ebenfalls nur aus Liebhaberei gemacht.»
«Das ist in unseren Kreisen so üblich. Gerade auch die Offizierslaufbahn. Sehen Sie sich nur das Königshaus an, die Prinzen William und Harry,
the Queen’s consort
, ich meine Prinz Philip.»
«Sie werden sich sicher freuen zu erfahren», störte Winter die selbstgefällige Pose, «dass der vermisste goldene Stab wiederaufgetaucht ist.»
«Das kann nicht sein», entfuhr es Grafton.
«Wieso kann das nicht sein? Weil Sie den Stab so gut versteckt hatten, dass niemand ihn finden kann?»
Grafton fasste sich. «Weil ich bereits danach gesucht habe.»
«Ihre Geschichte wird immer wirrer. Vorhin haben Sie noch gesagt, Sie hätten zuerst gar nicht gemerkt, dass der Stab fehlt. Jetzt wollen Sie sogar danach gesucht haben.»
«Herrgott, das war hinterher. Ich gehe davon aus, dass das, was Ihre Leute gefunden haben, nicht der echte Stab ist, sondern die Replik.»
«Aha. Es gibt eine Replik. Das hätten Sie uns sagen müssen. Wo ist die Replik denn Ihrer Meinung nach?»
Grafton stöhnte, strich sich mit einer Hand durchs gerötete Gesicht, ein kurzes Zeichen der Schwäche. «Ich glaube, ich habe sie in die Toilette im ersten Stock getan.» Aksoy, die davon noch nichts wusste, gab einen Laut des faszinierten Erstaunens. Ihr Gesicht leuchtete wie das eines kleinen Mädchens, das einem Zaubertrick zusieht. Sie amüsierte sich. «Da haben unsere Leute den Stab auch gefunden», bestätigte Winter. «Im Spülkasten. Und warum sollen wir oder Ihre Versicherung Ihnen glauben, dass es sich um eine Replik handelt und nicht um das Original?»
«Das ist keine Sache des Glaubens. Das Original ist Massivgold, die Replik ist innen irgendeine Kupferlegierung. Da reicht eine Waage, um das festzustellen. Machen Sie sich nicht lächerlich.»
«
Ich
mache mich lächerlich, wenn Sie die Replik eines archäologischen Fundes in einen Klospülkasten versenken? Erstaunliche Logik. Warum haben Sie das Ding denn da reingetan?»
Grafton stand auf, ging ans Fenster, stand einen Moment neben dem schwarzen Vorhang und sah hinaus in die Nacht, bevor er sich wieder den Polizisten zuwandte. Er versuchte, entspannt und überlegen zu wirken, aber es gelang ihm nicht ganz. «Weil ich die Sache für Sie einfache Gemüter nicht zu kompliziert machen wollte», behauptete er. «Ich hab gedacht, Sie kapieren eher, dass ich den echten
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