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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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Tasche drin? Würd mich mal interessieren.»
    Die Frage war an Freimann gerichtet.
    «In welcher Tasche?», fragte der.
    «Die auf der Treppe lag. Wo der Verletzte hingefallen war.»
    «Da lag keine Tasche», sagte Freimann.
    Die beiden Uniformierten sahen sich an.
    «Ich glaube aber auch, dass da was lag», sagte der Ältere. «Wir haben eine halbe Stunde abwechselnd in der Diele rumgestanden, bis die SpuSi kam. Da brennt sich so ein Bild ein. Eine blaue Sporttasche.»
    Freimann fragte mehrere seiner Leute. Niemand hatte eine Tasche oder sonst irgendeinen Gegenstand von der Treppe genommen. «Verdammt», fluchte Freimann, riss sich die nasse Maske vom bärtigen Gesicht, stopfte sie in eine Tüte und nahm sich eine neue.
    «Als wir kamen», erklärte Freimann, frisch maskiert, «waren wir noch unterbesetzt. Die paar Leute, die da waren, haben im Arbeitszimmer angefangen, weil dort die Tote war.»
    «Wo befanden sich der Hausherr und seine Frau?»
    «In der Küche», erklärte der junge Uniformierte. «Deshalb stand ja immer einer von uns beiden hier draußen, damit die nicht rauskommen, ohne dass wir es mitkriegen.»
    «Aber als die SpuSi gekommen ist …?», ermunterte ihn Winter.
    «Da bin ich raus, die Nachbarn befragen», gab der junge Kollege zu. «Und Klaus ist los, um den Mann der Geschädigten zu benachrichtigen.»
    «Es kann sein, dass zu dem Zeitpunkt mal für ein paar Minuten niemand die Diele beaufsichtigt hat», ergänzte Freimann. «Jedenfalls haben wir gleich danach in der Küche nur die Dame des Hauses angetroffen. Und die sagte uns, ihr Mann ist nach oben gegangen, um was zu holen.»
    «Aha», sagte Winter trocken. «Mit anderen Worten, der Herr Professor hat den unbeaufsichtigten Moment genutzt und die Tasche beiseitegeschafft. Das riecht nach Durchsuchungsbeschluss. Den können wir bei dieser mysteriösen Sache sowieso gut gebrauchen.»
    Winter ließ sich die Nummer der zuständigen Staatsanwältin geben, es war eine Neue namens Frau Göttlich, und besprach die Sache telefonisch mit ihr. «Ich versuch das mal», erklärte die Göttlich müde, «wenn es klappt, sollten Sie in zwei, drei Stunden die Genehmigung haben.»
    Wenn es klappt
, hörte sich nach Winters Ansicht zu defätistisch an. Und in zwei, drei Stunden? Winter hatte eilige Durchsuchungsbeschlüsse schon in weniger als einer halben Stunde vorliegen gehabt. Hoffentlich trug die Dame das mit der nötigen Entschlossenheit und Dringlichkeit dem Richter vor. Nicht mit dem gelangweilten, schlaftablettigen Ton, den sie gerade an den Tag legte.
    «Geht’s nicht schneller?», fragte er bloß.
    «Wie soll das schneller gehen?», fragte die junge Frauenstimme langsam und mit unterdrücktem Gähnen zurück. «Sie können ja Gefahr im Verzug annehmen, wenn Sie sofort loslegen wollen.»
    «Zu riskant. Dann werden uns vielleicht hinterher im Prozess die Beweismittel nicht anerkannt. Aber sagen Sie dem Richter doch dann bitte, dass der Durchsuchungsbeschluss auch zur Nachtzeit gültig sein muss. Sonst müssen wir Punkt einundzwanzig Uhr abbrechen, und der Herr Professor kann in Ruhe diese Tasche aus dem Haus schaffen.»
    Winter seufzte, als er auflegte, den Blick auf Graftons riesige Bücherwand geheftet. Viel Arbeit für eine Durchsuchung. Es war ihm überhaupt nicht recht, in diesem komplizierten Fall eine junge, träge und unerfahrene Staatsanwältin über sich zu haben.
    Er hatte es im Gespür, dass hier nichts so war, wie es schien.
    ***
    Der Blick aus dem zweiflügeligen Giebelfenster reichte bis zum Horizont. Silbrig und rosarot ergoss sich unter schwarzen Gewitterwolken ein Sonnenuntergang über die sanften Hügel. Wie schön die Welt sein konnte, dachte Gunhild Pfister. Warum nur war ihr und ihrem Blut so viel Schreckliches beschieden? Jörg Krombach. Seine Verwünschungen. Sie waren schuld. Der Teufel hatte sie auf schlimmere Weise erfüllt, als sie sich jemals ausgemalt hatte.
    Das Schrecklichste von allem aber stand noch bevor. Denn sie musste dem Unheil ein Ende bereiten. Auch das war vorherbestimmt.
    Fest hielt sie den silbernen Revolver in ihrem Schoß, als wäre er ihr Freund, ihr Rettungsanker. Das schwere, kalte Metall war in ihren Händen warm geworden. In dem Licht des Gewitter-Sonnenuntergangs schimmerte es wie ein Schmuckstück. Sie merkte kaum, dass die Tränen, die darauf fielen, ihre waren.
    ***
    Es war acht geworden, bis sie den Durchsuchungsbefehl hatten. Jetzt war es schon fast dunkel. Draußen war ein neuerliches Gewitter

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