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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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Personen, die bei Grafton in den letzten fünf Jahren als Examenskandidat oder Doktorand geführt gewesen waren, die aber ihre Prüfung nicht bestanden oder abgebrochen hatten. Leute also, die Grund hatten, Groll gegen den Professor zu hegen.
    Nach Aksoys Anruf fühlte sich Winter desorientiert. Gedankenversunken schaute er zu, wie die Prüfungsamtsmitarbeiterin weiter die Akten nach Grafton-Prüflingen durchforstete. Waren deren Namen nach der neuesten Entwicklung überhaupt noch relevant?
    Endlich draußen, die gewünschte Liste als Ausdruck in der Tasche, kreuzte Winter die Senckenberganlage, ohne zu merken, dass die Ampel rot war. Auf dem Grünstreifen in der Mitte setzte er sich auf eine Bank mit Blick aufs Museum. Er musste das erst einmal sacken lassen.
    Wie um Himmels willen konnten der Fall Vogel und der Fall Grafton zusammenhängen?
    Es war alles falsch, dachte er nach ein paar Minuten. Sie hatten überhaupt nichts verstanden. Weder im Fall Vogel noch in diesem.
    ***
    Hendriks Bank rückte kein frisches Geld mehr heraus. Die Zinsen für das überzogene Girokonto beliefen sich auf 300  Euro im Monat, hinzu kam der Gründungskredit mit 200  Euro Zinsen und Tilgung – alles noch Peanuts im Vergleich mit der Büromiete von 2100  Euro und dem Gehalt der Sekretärin. Hendrik von Sarnau musste entweder der Sekretärin kündigen oder den Mietvertrag für die Anwaltspraxis. Doch weder das eine noch das andere schien opportun, gerade jetzt, wo es allmählich aufwärtsging. Die beiden DomRep-Touristen im Januar hatten Hendrik auf eine Idee gebracht: Auf dem Schild an der Tür pries er sich neuerdings als «Rechtsanwalt Reiserecht» an, ideal für seine Location am Bahnhof, und seit drei Wochen hatte er auch eine entsprechende Google-Anzeige geschaltet. Seitdem hatte er jeden Tag ein, zwei neue Kunden dazubekommen. Er näherte sich dem Break-Even. Wenn nur die blöde Bank nicht zicken würde …
    Aber es gab ja noch einen Ausweg. Aus Vorsicht hatte er bis nach dem Prozess gegen diesen Russen warten wollen. Jetzt musste es eben früher sein. Es würde schon klappen.
    Er hatte in der Sache mit dem Pfister ganz unwahrscheinliches Glück gehabt. Das Glück des Tüchtigen. Wer wagt, gewinnt.
    ***
    Winter trommelte die Leute seiner SoKo zusammen und erklärte die neue Lage.
    «Es ist wohl so ein Fall», schloss er, «bei dem man vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht. Lassen wir mal alles weg, was wir an Detailwissen haben. Betrachten wir die Sache ganz aus der Ferne: Im Fall Grafton haben wir eine Frau, eine Mutter, von Beruf Putzfrau, Mitte dreißig, durch Kopfschuss hingerichtet. Wir haben einen Mann, der sich im selben Haus aufhielt und nach dem Angriff auf die Frau mit Schüssen in den Rumpf lebensgefährlich verletzt wurde. Das sind doch klare Parallelen zum Fall Vogel: Da wurde ebenfalls eine Frau per Kopfschuss hingerichtet. Sabrina Vogel war nur circa fünf Jahre jünger als die Tamm, also grob gesprochen im selben Alter. Sie war eine Angestellte in einem Supermarkt, gehörte also derselben sozialen Schicht an, und auch sie war Mutter von kleinen Kindern. Im Fall Vogel gab es auch einen Mann, der nach dem Angriff auf die Frau durch Schüsse in den Rumpf tödlich verletzt wurde. Die männlichen Geschädigten in beiden Fällen sind möglicherweise Zufallsopfer, die nur aus dem Weg geräumt wurden, weil sie dem Täter in die Quere kamen. Ich hatte beim Fall Vogel schon den Eindruck, dass es eigentlich um die Frau ging.»
    «Das hast du gut zusammengefasst», sagte Ziering nach einer Pause, in der alle Winters Worte auf sich wirken ließen. «Bloß, wenn wir davon ausgehen, dass die Fälle zusammenhängen: Was um Himmels willen ist das für ein Täter?»
    «Ein Verrückter. Ein Psychopath», schlug Hilal Aksoy vor. «Einer, der es aus irgendeinem Grund, den nur er selbst versteht, auf verheiratete junge Frauen abgesehen hat.»
    «Wieso muss denn da plötzlich ein Zusammenhang sein zwischen den Fällen?», fragte in mäkelndem Ton Glocke. «Das ist doch nur dieselbe Waffe. Das muss doch net derselbe Täter sein.»
    «Nein, muss es nicht», stimmte Winter zu. «Es ist theoretisch möglich, dass der Täter im Fall Vogel die Waffe verkauft hat. Oder vielleicht hat er sie nach der Tat weggeworfen, und sie wurde von jemand anderem gefunden. Ich halte das bei den vielen Parallelen zwischen den Fällen zwar nicht für so wahrscheinlich. Aber die Möglichkeit muss geprüft werden. Ich schlage folgende Aufgabenteilung für

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