Schattenhaus
die nächsten Tage vor: Arno und Jürgen, ihr kümmert euch um die Waffe. Fragt euch in den einschlägigen Kreisen und bei Waffenhändlern durch, ob jemand von einem . 44 er-Magnum-Revolver weiß, der in letzter Zeit den Besitzer gewechselt hat. Seht euch die Datenbanken an, ob im Frankfurter Raum im letzten halben Jahr jemand so eine Waffe neu eingetragen bekommen hat, und wenn das nichts bringt, geht zu legalen Besitzern, lasst euch die Kanone zeigen und fühlt denen ein bisschen auf den Zahn. Und ihr beide» – Winter wandte sich an Aksoy und Glocke – «ihr übernehmt die Opferseite der Ermittlung. Fragt den Mann von Verena Tamm aus, sucht ihre Eltern auf, wenn sie noch welche hat, und versucht, so viel wie möglich über diese Frau herauszufinden. Vielleicht entdecken wir noch weitere Parallelen zum Fall Vogel. Die könnten uns dann auf die Spur des Täters führen.»
«Des ist doch alles viel zu kompliziert», beschwerte sich Glocke. «Mer muss doch nur den Mörder von den Vogels befragen, diesen Russen da, Preiß oder wie er heißt. Der wird einem doch sagen können, ob er die Waffe verkauft hat.»
Winter tauschte einen Blick mit Aksoy. Er hatte guten Grund gehabt, Glocke nicht auf die Waffe anzusetzen: Er traute Glocke nicht mehr und ging davon aus, dass er sich mit Kettler absprechen würde. Womöglich würden die beiden dann mit Drohungen oder Versprechungen irgendeinen Unterwelttypen dazu bringen zu behaupten, die Waffe sei bei diesem oder jenem über den Tisch gegangen. Kettler war mehrere Jahre bei der OK gewesen, der kannte zweifellos Leute, die für eine kleine Gegenleistung zu einer Falschaussage bereit waren.
«Soweit ich aus der Presse weiß», erklärte Winter, «leugnet der Preiß derzeit wieder, den Doppelmord an dem Ehepaar Vogel überhaupt begangen zu haben. Also wird er uns wohl kaum erzählen, er habe die Tatwaffe verkauft. Aber versuchen könnt ihr es natürlich», sagte er in Richtung Ziering und Musso. «Vielleicht hat der Preiß sich das mit seiner Aussage inzwischen anders überlegt.»
«Und du, du machst die zentrale Sachbearbeitung?», fragte Ziering.
«Sicher. Außerdem habe ich vor, die Anwältin von Preiß vorzuladen. Vielleicht hat sie Zusatzinformationen im Fall Vogel, die sie bereit ist rauszugeben.» Wie sicher Winter sich darin war, konnten die anderen – außer Aksoy – nicht ahnen.
Er musste allerdings baldigst mit Fock sprechen. Was der wohl sagen würde?
Dummerweise war es Freitagnachmittag, und es stellte sich heraus, Fock war schon im Wochenende. Sie verschoben alles Weitere auf Montag.
***
Aksoy tat Carsten Tamm leid. Er war ein großer, nicht ganz unattraktiver Mann, dessen unrasiertes Gesicht, blutunterlaufene Augen und penetrante Alkoholfahne sie zunächst der Trauer um seine Frau zuschrieb. Die Wohnung in der Kuhwaldsiedlung zeigte Anzeichen, dass sie vor kurzem noch perfekt in Schuss gewesen war. Doch seit dem Tod seiner Frau vor einer Woche hatte der Hausherr keinen Handschlag getan. Es roch vermüllt und ungelüftet. Die Fliesen im Flur zierten Spuren einer heruntergetropften braunen Flüssigkeit, hoffentlich nur Kaffee, die von der Küche ins Wohnzimmer und ins Schlafzimmer führten. Die Wohnung war sehr groß, Aksoy zählte sieben Türen im langen Flur, also wohl fünf Zimmer. «Darf ich mich kurz umsehen?», fragte sie. «Ich würde gerne einen Eindruck gewinnen, wie Ihre Frau gelebt hat.»
Carsten Tamm zuckte nur die Schultern und verzog sich mit Glocke ins Wohnzimmer. Aksoy blickte kurz hinter jede Tür. Sie entdeckte zwei extrem ordentliche Kinderzimmer, ein blütenreines Esszimmer wie aus dem Katalog, das seit dem Tod der Frau sicher nicht benutzt worden war, sowie ein Schlafzimmer im Chaos, dessen schaler Geruch nach Alkohol, Essensresten, Aschenbecher und ungewaschenem Mann sie schnell vertrieb.
«Herr Tamm, wo sind denn die Kinder?», fragte sie, als sie das Wohnzimmer betrat. Tamm saß zusammengesunken auf dem Sofa, ein Bild des seelischen Verfalls, während Kollege Glocke seinen wie immer korrekt gekleideten Körper samt graumeliertem Kopf umso steifer und aufrechter hielt.
«Hat das Amt geholt», sagte Tamm auf die Frage. «War auch richtig so, ich hab denen gleich gesagt, ich kann das nicht alleine. Ich bin krank.» Mit einer Bewegung verwies er auf die Versammlung leerer Flaschen auf dem Wohnzimmertisch.
«Sie sind Alkoholiker?», fragte Aksoy und setzte sich ihrerseits in einen Sessel. Sie erinnerte sich jetzt, dass davon am Tattag
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