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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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Aksoy war die Lust auf eine lange Fahrt mit ihm schon jetzt eindeutig vergangen. Sie schwieg und knipste das Radio an.
    Bei Lich bog Glocke von der A 5 ab. «Lich, der Ort, wo das Bier herkommt», kommentierte er und ergänzte: «‹Licher Pilsener: Aus dem Herzen der Natur.›»
    Aksoy entschloss sich, Glockes Versuch, das Gespräch wiederaufzunehmen, nicht durch einen Hinweis zu verderben, dass es über die Autobahn schneller gegangen wäre. «Ein hübsches Örtchen», sagte sie.
    «Glaubst du das?», fragte er unvermittelt. «Dass der Putzfrau-Fall mit der Vogel-Geschichte zusammenhängt?»
    «Das werden wir jetzt wahrscheinlich herausfinden», begann sie vorsichtig. «Ein bisschen viel Zufall wäre das ansonsten schon: dieselbe Waffe, derselbe Herkunftsort der Opfer.»
    «Ja, ja», murmelte Glocke. Dann fügte er an: «Bloß, wenn die beide in Frankfurt geboren wären, würd keiner was sagen. Ist doch auch derselbe Herkunftsort.»
    Aksoy öffnete den Mund, um Glocke zu erklären, dass zwei unabhängige Mordfälle aus einer Stadt von siebenhunderttausend Einwohnern einen weit weniger großen Zufall voraussetzten als zwei unabhängig Ermordete aus einem Dreihundert-Seelen-Dorf. Doch im letzten Moment entschied sie sich aus einem Impuls heraus anders und sagte: «Da hast du eigentlich recht.»
    Damit hatte sie Glockes Herz geöffnet.
    «Der ist so ein verbissener Kerl, der Winter», ließ er sie ohne jede Einleitung wissen. «Der kann net mal Fünfe gerade sein lassen. Ewig muss er alles ganz genau haben.»
    «Ich kenn ihn noch nicht so gut», sagte Aksoy neutral. «Er wirkt jedenfalls sehr gewissenhaft.»
    «Sag ich ja, verbissen. Der Winter will immer hundert Prozent Aufklärungsquote. Das ist so Tradition bei dem, da hat er sich reinverbissen. Dass er am Jahresende gut dasteht, und wir müssen dafür schuften. Es geht abbä auch anders. Im Januar war der Winter weg, da hat der Sven Kettler in der Vogel-Geschicht die Ermittlungen geleitet. Das ist ein lockerer Typ, net so verkrampft. Der Junge hat Spaß und frischen Wind reingebracht und uns net so gestriezt mit Bürokratie. Da musstest du nicht jeden Furz zwei Seiten protokollieren.»
    «Ich hab auch den Eindruck, der Sven Kettler nimmt es nicht so genau», sagte Aksoy wahrheitsgemäß.
    «Den Winter», raunte Glocke vertraulich, «den kenn ich schon von ganz früher, wie der noch grün hinter den Ohren war. Ich war sein Streifenführer, als er angefangen hat. Keine Ahnung vom Polizeiberuf, aber das Leben hat er einem schon damals schwergemacht. Ich hab da so eine Geschicht mit ihm erlebt – wir hatten einen schweren Einsatz, er sollte mir einen Gefallen tun unter Kollegen, da hat der sich geziert, zehn Minuten lang. Das hab ich ihm nicht verziehen. Der Winter ist dann auch bald weg von der Straße und zu den Schnöseln von der Kripo gegangen. Hat wohl eingesehen, dass das echte Polizistenleben nichts für ihn ist.»
    «Du bist jetzt aber auch bei den ‹Schnöseln von der Kripo›», sagte Aksoy amüsiert. «Wie kommt’s?»
    «Ei, das Alter. Ich hab’s am Knie, Meniskus und Arthrose. Da hab ich mich vor zehn Jahren in den Innendienst bewerben müssen.»
    Für jemanden ohne Fachhochschulabschluss hatte er dabei einen ziemlich guten Job gelandet, fand Aksoy.
    «Ich müsst ja eigentlich auch jetzt Kommissar sein», sinnierte Glocke weiter. «Jeder Grünschnabel von der Schul ist Kommissar heutzutage. Wenn der Winter mal ein gutes Wort für mich eingelegt hätt …»
    Ach, daher kam sein Ärger auf Winter, dachte Aksoy. Die hessische Landesregierung hatte ihren Polizisten vor einigen Jahren eine indirekte Gehaltserhöhung geschenkt, indem sie den mittleren Dienst abschaffte. Den Polizeimeistern alten Rechts gab man großzügig Gelegenheit zur Beförderung zum Kommissar. Doch Winter schien Glocke den Aufstieg vermasselt zu haben.
    «Hast du’s über Fortbildung versucht?», fragte sie. Eine Fortbildung hatte bei den meisten gereicht.
    «Ach!», schimpfte Glocke. «Ich mach doch in meinem Alter keine Fortbildung mehr. So weit kommt’s noch, dass ich mir von irgendeinem, der nie aus der Fachschule rausgekommen ist, meinen Beruf lehren lass.»
    Oder dass er sich vom Navigationsgerät den Weg zeigen lässt, dachte Aksoy. Glocke raste über schmale, verschlungene Bergsträßchen, dass ihr fast schlecht wurde.
    Als sie nach zwei umwegreichen Stunden in Allmenrod eintrafen, schaltete sie dann doch gegen Glockes nunmehr nur mäßigen Protest das Navi ein, um sich zur

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