Schattenherz
kicherte Malin. »Oder die Teletubbies«, setzte Kelly triumphierend obendrauf.
»Das gilt nicht, das waren vier«, warf Anatol ein. »Dipsy, Tinky-Winky, Laa-Laa und Po.«
»Po?!« Kelly kugelte sich vor Lachen.
Wenn uns jetzt einer sehen würde, käme er nie auf die Idee, dass dieses offenbar irre gut gelaunte Rateteam aus ânem Selbstmordkandidaten, âner völlig überdrehten Egozentrikerin und der Tochter einer Mörderin besteht â¦
Kelly parkte den Mini in Sichtweite des Hauses am Rand der einzigen und â wie Malin ihr versicherte â rein privaten ZufahrtsstraÃe. Als sie ausstiegen, hatte Anatol deutlich Mühe, sich seine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen; schlieÃlich musste er als Malins angeblicher Bruder so tun, als kenne er hier jeden Stein.
Der Anblick war atemberaubend! Das Gebäude erinnerte an jene weià gekalkten Renaissance-Schlösschen, die sich deutsche Fürsten im 16. Jahrhundert in ihre Jagdreviere bauen lieÃen; inklusive Wohnturm und Schieferdach. Lediglich die Stuckelemente ober- und unterhalb der Fenster und die halbrunde Freitreppe, die zum Eingang hinaufführte, lieÃen darauf schlieÃen, dass es in einem späteren Jahrhundert erbaut worden war.
»Wow«, sagte Kelly, »und das Teil gehört euch?«
»Ja. Und?« Malin zuckte die Achseln. »Nützt gar nichts, in ânem Palast zu wohnen, wenn die Leute, die drin leben, nicht okay sind.«
Kelly schob die Unterlippe vor und kniff die Augen zusammen, als könne sie so den Wert des Hauses schätzen. »Was isân so was wert, hm? Zwei Millionen, drei Millionen?«
»Was weià ich?« Malin zuckte erneut die Achseln. »Das Haus haben sich meine â äh ⦠unsere! â UrgroÃeltern als Altersruhesitz gebaut. Anno 1905.«
»Wahnsinn.«
Ja. Da hat sie ausnahmsweise mal recht. Diese ganze Aktion ist Wahnsinn. Aber â verdammt noch mal â wie soll ich sonst herausfinden, wo meine Mutter steckt?
Malin merkte, wie ihr bei dem Gedanken an all die Lügen und Heimlichtuereien, mit denen sie aufgewachsen war, Tränen in die Augen schossen.
Dreh jetzt bloà nicht durch! Nicht so nah vorm Ziel!
Zu ihrer Erleichterung übernahm Anatol das Kommando. »Also, Schwesterherz«, sagte er und legte ihr betont brüderlich den Arm um die Schultern, » dann ziehân wir jetzt mal los, okay?«
Malin nickte dankbar. Sie hatte das Gefühl, keinen weiteren Ton herausbringen zu können.
Kelly öffnete den Mund, als wolle sie protestieren, aber Anatol kam ihr zuvor. »Kelly, du bleibst hier. Wie verabredet: Du stehst Schmiere.«
»Aber â¦Â«
»Wenn ein Wagen kommt, machst du die Warnblinkanlage an, drückst auf die Hupe, steigst aus und hältst ihn an, okay?«
»Und dann?«
»Am besten sagst du, du hättest dich verfahren. Dann fragst du den Fahrer nach dem Weg und holst âne Karte aus dem Wagen. Das hält ihn mit Sicherheit so lange auf, bis wir verschwunden sind. Und dann treffen wir uns später vorne an der DorfstraÃe.«
»Den Fahrer? Ich denke, ihr erwartet â wenn überhaupt â nur die Putzfrau?«
»Die lässt sich immer von ihrem Mann herfahren«, versetzte Anatol, ohne mit der Wimper zu zucken.
Kelly nickte anerkennend. »Mensch, Leute: So viel kriminelle Energie hätt ich euch gar nicht zugetraut!«
Ich uns auch nicht , dachte Malin.
Bevor sie losgingen, lud sie eine neue Batterie in ihren MP3-Player.
Kelly schüttelte ungläubig den Kopf. » Was soll das denn werden? Willst du Musik hören, während du einbrichst?«
»Genau«, antwortete Anatol an Malins Stelle. »Das macht meine kleine Schwester immer so. Bei Bankeinbrüchen hört sie Beethoven und beim Automatenknacken Hip-Hop.«
Kelly winkte den beiden hinterher, bis sie hinter der Ligusterhecke verschwunden waren.
»Sobald ich im Haus bin, stell ich auf Aufnahme«, sagte Malin, als sie auÃer Hörweite waren. »Und wenn mir was passiert, gibst du meinen MP3-Player der Polizei, versprichst du mir das?«
Ãbergangslos nahm Anatol sie in die Arme und drückte sie so fest an sich, dass ihr beinahe die Luft wegblieb.
»Malin«, sagte er leise, »bitte hör auf damit. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dich da allein reingehen lasse.«
»Aber ichâ¦,aber â¦das wird schon klargehen«, stotterte
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