Schattenherz
Malin, von der plötzlichen Nähe überrumpelt. »Das mit der Aufnahme ist doch nur âne reine VorsichtsmaÃnahme, falls Helmut oder Nico nach Hause kommen sollten. Obwohl â¦, dass Nico ausgerechnet heute hierherkommt, ist mehr als unwahrscheinlich.«
»Nico? Wer ist Nico?«
Als Anatol die Umarmung genauso abrupt auflöste, wie er sie begonnen hatte, war Malin so verwirrt, dass sie regelrecht ins Stottern geriet. »Nico ist ⦠also, er heiÃt eigentlich Nicolas ⦠quasi mein â äh â Adoptivbruder.« Sie schluckte. » Und kannst du mich bitte noch mal in den Arm nehmen?«
Zögernd â und bedeutend sanfter als zuvor â schloss Anatol sie erneut in seine Arme. »Ich wusste ja nicht, ob ⦠ob dir das recht ist«, murmelte er.
»Ist mir sehr recht.«
Und was das sonst noch zu bedeuten hat, darüber denk ich nach, wenn wir das Ganze hier hinter uns haben.
Sie genoss einen Moment lang die Nähe, die Wärme und die Stille ringsherum.
»Wenn du so sicher bist, dass weder jemand im Haus ist, noch dass einer ins Haus kommt, während wir drin sind, ist es doch erst recht egal, ob ich mitkomme oder nicht«, sagte Anatol leise.
»Ja. Stimmt. Hast ja recht â¦Â«
Malin seufzte. Einerseits, weil sie nicht ewig so eng umschlungen dastehen konnten, andererseits, weil sie Anatol, ohne es zu wollen, sämtliche Argumente zum Mitgehen geliefert hatte. Sie sah ein, dass weiterer Widerspruch zwecklos war. »Okay. Dann komm.«
Das Haus wirkte von auÃen wie ausgestorben. Kein Licht, kein Geräusch. Das Garagentor war geschlossen.
Malin deutete auf eines der oberen Fenster. »Da oben, da ist mein Zimmer.«
»Sieht aus, als wär â¦Â« Anatol schüttelte den Kopf, als wolle er einen unwillkommenen Gedanken abschütteln, »⦠sieht aus, als wär hier nie was passiert.«
Tatsächlich deutete nichts mehr auf das Feuer vor ein paar Wochen hin. Sämtliche Brandspuren waren beseitigt; die RuÃ- und Löschwasserflecken auf der schneeweiÃen Fassade waren abgewaschen und übermalt und das verkohlte Fenster war ersetzt worden.
»Das heiÃt doch nur, dass Helmut möglichst schnell alle Hinweise vernichten wollte.«
»Ach so.« Anatol klang eher verunsichert als überzeugt.
Bitte! Er muss mir glauben! Auch wenn hier alles so aussieht, als hätte ich die ganze Geschichte nur erfunden!
Malin stiegen Tränen in die Augen. »Anatol, ichâ¦Â«, begann sie, doch Anatol hatte bereits seine ganze Aufmerksamkeit auf die bevorstehende Einbruchsaktion gerichtet.
»Hier gibtâs doch sicher âne Alarmanlage, oder?« Skeptisch untersuchte er den Hintereingang.
»Nur Einbruchssensoren an den Fenstern im Parterre und im ersten Stock. Meine GroÃeltern fanden, so neumodisches Zeug wie Kameras und Warnblinklampen verderben den Gesamteindruck.«
»Stimmt. Da ist was dran.«
»Die Turmfenster oben sind überhaupt nicht gesichert.«
»Und wie kommen wir da hoch?«
»Ich hoffe, du bist schwindelfrei.«
Während Malin und Anatol die ausziehbare Obstleiter aus dem Gartenhaus holten, saà Helmut Gräther knapp zwanzig Kilometer entfernt mit seinem Freund und Anwalt Klaus Behrens in dessen Kaminzimmer beim Schach.
»Du, Klaus, nur mal rein interessehalber«, Gräther gab sich alle Mühe, seine Frage harmlos klingen zu lassen, »wann kann man eigentlich in Deutschland einen Vermissten für tot erklären lassen?«
»Hast du da jemand Bestimmtes im Auge?« Der Anwalt grinste. »âne verschollene Erbtante oder so?«
»Schon möglich â¦Â«
»Und war die Gute â bevor sie plötzlich wie vom Erdboden verschwunden ist â über achtzig?«
»Wieso?«
»Dann dauert es nur fünf Jahre. Ansonsten zehn.«
»Verstehe.« Gräther zog seinen schwarzen Turm drei Felder vor. »Fünf bis zehn Jahre sind âne verdammt lange Zeit.«
Der Anwalt sah sein Gegenüber forschend an. Dann bewegte er seinen Springer zwei Felder vor und eins nach links.
»Wenn du allerdings mit deiner Frage auf jemanden unter fünfundzwanzig anspielstâ¦Â« Der Anwalt lieà das Ende des Satzes bewusst in der Luft hängen.
»Dann?« Gräther schickte â hastig und ohne nachzudenken â einen seiner Bauern vor.
»Tja, mein Lieber, tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber
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