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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Bliefert
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Entsetzen aufgerissenen Augen. Schließlich Dunkelheit.
    Malin zwang sich, ein paarmal tief ein- und auszuatmen.
    Als sie ruhiger wurde, überprüfte sie erneut den Batterieanzeiger: Der Füllstreifen war kaum noch erkennbar und die neuen Batterien steckten in der Tasche von Anatols Windjacke.
    Konzentrier dich, Malin! Jede Minute Aufnahmezeit ist kostbar! Erzähl auch noch die andere Geschichte; du schaffst das!
    Â»Ich schaff das!«, sagte sie laut. Dann schaltete sie das Gerät wieder ein.
    Alle haben sich damals gewundert, wieso ich derart in Panik geraten bin. Ich hab’s selber nicht gewusst, Dakota. Aber gerade eben, da am Weiher unten, ist mir plötzlich klar geworden, dass es da noch was anderes gab.
    Viel früher.
    Ich hab das wohl … verdrängt. Oder ich hab’s einfach falsch eingeordnet. Aber jetzt – nach allem, was passiert ist – ist mir klar, dass es da schon angefangen hat.
    Ich kann damals nicht älter als vier Jahre gewesen sein. Ich hatte mich wahnsinnig über die Kinder-Taucherbrille und den Schnorchel gefreut. Und ich wollte üben; in unserer Badewanne oben im ersten Stock. Abends, vor dem Schlafengehen. Ich erinner mich noch, dass Helmut ins Bad reingekommen ist. Das tat er sonst nie.
    Â»Du musst mit dem ganzen Kopf unter Wasser«, hat er gesagt, »>und nur durch den Schnorchel atmen.«
    Ich hab mich nicht getraut und da hat er mich unter Wasser gedrückt. Aber es kam keine Luft, sosehr ich’s auch versucht habe. Er …, er… Wahrscheinlich hat er das Mundstück mit irgendwas verklebt.
    Es kam einfach keine Luft …
    Erneut unterbrach Malin die Aufnahme, bis sie sich wieder im Griff hatte.
    Dann muss das Kindermädchen reingekommen sein. Nicht Dorkas. Die andere. Helen oder Hella.
    Er hat wahrscheinlich so getan, als hätt er mich gerade noch vor dem Ertrinken gerettet. Und dann hat er ihr die Schuld gegeben, Dakota! Das weiß ich noch genau! Sie hätte mir eins von diesen klebrigen Kaubonbons gegeben und die hätten das Mundstück verstopft. Hat einfach so getan, als wär es ihre Schuld.
    Und der Unfall zwei Jahre später war vielleicht auch kein Unfall. Das war in Bad Gastein. Nur hat er da nicht richtig aufgepasst und es gab eine Augenzeugin. Soweit ich mich erinnere, hat ihn sein Anwalt da rausgepaukt. Bestimmt hat der ihm auch dazu geraten, mich auf weniger direkte Weise loszuwerden. Indem er mich für verrückt…
    Das Display wurde grau. Ende der Aufnahme.
    Langsam ging Malin zurück zu den beiden anderen. Seltsamerweise fühlte sie sich regelrecht erleichtert, nachdem sie Dakota alles erzählt hatte.
    Vielleicht wäre es am besten, wenn ich vor meinem Achtzehnten gar nicht mehr zu Hause auftauchen würde. Wenn ich nach meinem Geburtstag einfach alles verschenke, macht es für Helmut eh keinen Sinn mehr, mich umzubringen.
    Sekunden später wurde ihr das ganze Ausmaß dieser Erkenntnis bewusst: Das heißt, jetzt wird es für ihn wirklich eng …
    Zurück am Weiher war sie froh, dass es im Schatten der Bäume schnell kühler wurde und Kelly sich fröstelnd wieder anzog. »Wo bist du denn so lange gewesen?«, fragte sie schmollend. »Dein Bruder ist ja nicht gerade ein Unterhaltungskünstler… «
    Â»Dafür hab ich unser Catering ein bisschen vitaminreicher gestaltet.« Anatol hatte in Malins Abwesenheit eine beeindruckende Menge Walderdbeeren gepflückt und teilte zum Abendbrot den Inhalt der letzten Sandwichpackung akribisch in drei gleich große Teile.
    Auf Kellys Vorschlag hin verbrachten sie die Stunden bis zum Einbruch der Dämmerung mit albernen Ratespielen wie »Ich sehe was, was du nicht siehst« und »Wer bin ich?«. Bei Kelly konnte man mit Sicherheit davon ausgehen, dass es sich bei den zu erratenden Persönlichkeiten um Beauty-Queens wie Kleopatra oder Marilyn Monroe handelte. Malin wartete mit Kniffligerem auf und bootete die anderen beiden gnadenlos mit einem Kontrastprogramm von Daisy Duck über Camilla Mountbatten-Windsor bis Mutter Teresa aus.
    Als Anatol hintereinander mit van Gogh, Picasso und da Vinci aufwartete, handelte er sich den vehementen Protest der beiden Ratekandidatinnen ein: »Buuuuh! Das ist doch viel zu einfach!« und »Wie lahm ist das denn?«.
    Â»Ich hätte auch noch Mozart, Bach und Beethoven zu bieten«, erklärte Anatol trocken.
    Â»Oder Tarantula, King Kong und Godzilla«,

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