Schattenherz - Fesseln der Dunkelheit
er bleibt an meiner Seite. Sein Chauffeur trägt meine Tasche und folgt uns. Der Schnee knirscht unter unseren Schritten. Hier liegt mehr davon als bei meiner Tante. Wir sind so weit draußen auf dem Land, dass es kälter ist. Ich kuschle mich in meine Winterjacke und vergrabe meine Hände in den Taschen.
„Deine Jacke ist zu dünn“, merkt mein Herr an.
Ich sehe zu ihm und kann die Missbilligung in seinem Blick sehen. Er selbst hat sich einen langen Wollmantel übergestreift. Jede Wette, dass der wärmer ist.
„Du brauchst dringend andere Sachen. Das erledigen wir per Express. Oder willst du lieber in Läden?“
Ich schaue ihn überrascht an. Tylandora hat mich selten nach meiner Meinung gefragt und meistens musste ich dann sehr gut aufpassen, was ich sage. Doch Konstantin scheint sein Angebot ernst zu meinen. Ich stelle mir vor, wie ich in einen Laden mit ihm gehe – überall andere Vampire, die uns anstarren und sich fragen, was wir da eigentlich machen. Ich kann mir Schöneres vorstellen.
„Express wäre toll“, sage ich daher.
Ein amüsiertes Lächeln zeichnet sich auf seinem Mundwickel ab.
„Welche Größe hast du?“, will er wissen.
„ Small.“
Etwas unwohl verkrieche ich mich in meinen Kleiderschichten. Ich sehe, wie er meinen Körper mit seinen Augen abmisst. Besonders groß bin ich mit meinen knapp eins sechzig nicht, und durch die sparsame Ernährung bei Tylandora fehlte die Gelegenheit, Rundungen anzulegen.
„Wenn das mal stimmt“, murmelt er. „Na ja, demnächst wird es stimmen. Ich lasse niemanden hungern.“
„ Tylandora hat nicht…“
„ Ich habe deine Knochen gesehen“, erstickt er meinen Einwand.
Wir erreichen das Haus und wie von Geisterhand öffnet ein Butler, bevor wir überhaupt geläutet haben. Der Vampir in makellosem Anzug befreit Konstantin aus seinem Mantel. Ich will mich selbst aus meiner Jacke schälen, doch mein Herr deutet zu mir.
„Barnabas, sei so gut und hilf auch Elise“, weist er seinen Diener an und stellt mich damit gleichzeitig vor.
„ Sehr wohl.“
Der Butler tritt hinter mich, greift nach meinem Kragen und assistiert mir. Bei seiner Berührung rinnt ein Schauder über meinen Körper, denn ich komme mir seltsam deplatziert vor. Vampire bedienen einfach keine Menschen.
Ich bedauere das Entgegenkommen meines Herrn, denn gleichzeitig fürchte ich, einen schlechten Start bei seinem vampirischen Personal zu haben. Unsicher blicke ich nach hinten, doch das Gesicht seines Dieners ist eine reglose Maske, die nichts preisgibt.
„ Dankeschön“, murmle ich.
Seine Reaktion ist ein knappes Kopfnicken, dann entfernt er sich mit unseren Sachen.
„Hast du schon gegessen?“, fragt mich Konstantin.
Das konnte man verschieden beantworten.
„Ja“, sage ich unbehaglich.
Er legt den Kopf schief. „Wann?“
Ich schlucke. „Frühstück.“
„ Deine Zeit oder meine?“
„ Meine“, räume ich ein.
Eine steile Falte zeichnet sich auf seiner Stirn ab und er wirft einen Blick auf die Uhr.
„Das ist beinahe zwanzig Stunden her.“ Seine Stimme klingt vorwurfsvoll.
„ Ent…“, beginne ich und sehe, wie sich seine Augen weiten. Mir kommt seine Drohung in den Sinn, was er mit mir macht, wenn ich mich zu oft entschuldige. Erschrocken sehe ich ihn an und stammle stattdessen: „Interessant“.
Ich registriere, wie er belustigt seine Lippen kräuselt.
„In der Tat, das finde ich auch sehr interessant“, spöttelt er. Dann packt er mich am Arm und zieht mich mit sich. „Komm“, sagt er überflüssigerweise.
Verdattert laufe ich mit ihm und bestaune gleichzeitig das Übermaß an Luxus. Marmor- und Granitböden, eine weitläufige Treppe, die von zwei Seiten auf eine Empore zustrebt, Wandornamente aus Metall und Malereien. Ich lege meinen Kopf in den Nacken. Die Decke ist mindestens zehn Meter hoch und über uns thront eine kreisförmige Kuppel mit Fresken. Die Farben sind hell und freundlich und die Bilder zeigen antike Szenen von Göttern.
Konstantin entführt mich in einen Saal mit langer Tafel, an der sicher zwanzig Gäste speisen können. Er schiebt mich zu einem Stuhl rechts vom Kopf des Tisches und bedeutet mir, mich zu setzen. Unbehaglich zupfe ich die Ärmel meines Pullovers lang und sehe mich um. An den vier Wänden des Raumes wurden die vier Jahreszeiten verewigt, wunderschöne Wandmalereien, die eine tiefe Sehnsucht in mir wachrufen.
Er läutet und ein weiterer Diener in tadelloser Kleidung erscheint und erkundigt sich nach
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