Schattenherz - Fesseln der Dunkelheit
Tante musste ich mich nie ausziehen. Durch den Vergleich bemerke ich Vorteile an meiner früheren Existenz. Der Gedanke macht mir ein schlechtes Gewissen. Konstantin hat mir bisher nichts getan.
Mein Hals kribbelt und erinnert mich daran, dass er zumindest eine Kostprobe von seinem neuen Eigentum wollte. Ich bin ein Cocktailspender. Manche Dinge ändern sich nie.
„ Das ist eine lange Fahrt“, bemerke ich hilflos.
Er hebt spöttisch eine Braue. Mein Versuch, das Thema der Kompatibilität zu wechseln, scheint ihn zu belustigen.
„Lang genug für Gespräche“, stimmt er zu.
Ich sehe zum Fenster hinaus. Der Stadtrand von Tulsa liegt hinter uns. Die »alte Stadt«, wie die Muskogee-Indianer sie in ihrer Sprache mit Tulsy nannten, war die letzten dreizehn Jahre mein Gefängnis. Ich habe sie nie verlassen. Tylandora zog es vor, mich einzusperren.
Ich durfte nicht einmal den Woodward Park besuchen. Als ich klein war, habe ich es dort geliebt. Die dunkle Metallskulptur eines Indianers, der auf einem Pferd sitzt und die Arme ausbreitet, ist mir in Erinnerung geblieben. Er wirkte so frei, eins mit der Welt.
Mit meinen Eltern war ich früher durchaus in anderen Teilen Oklahomas unterwegs. Es ist eine Ewigkeit her. Als ich nun meinen Blick auf die nächtliche Landschaft richte, erkenne ich nichts wieder. Wir fahren ostwärts. Das Ziel weiß ich nicht.
„Ihr wohnt also weit draußen?“
„ Ganz recht.“ Er legt den Kopf schief. „Ich weiß, dass du vor mir noch keinen Mann geküsst hast.“ Röte sprenkelt meine Wangen, ich kann das Fieber in meinem Gesicht spüren. „Bezog sich das auf alle Männer oder nur auf Vampire?“
Ich räuspere mich. „Alle.“ Meine Stimme klingt wie ein Gespenst.
Konstantin nickt. „Gut, ich teile nicht gerne.“
Er fokussiert mich mit seinem Blick und ich frage mich, welche Absichten er hegt. Innerlich wühlt er mich auf.
„Möchtest du etwas trinken?“
Ich betrachte meine Handfläche. Rosa Linien sind darauf. Frisch verheilte Haut. Er war sehr gründlich, als ich schlief.
„Leider habe ich keinen Black Bowmore“, informiert er mich. „Aber zumindest einen anderen Scotch.“
„ Ich trinke eigentlich nicht.“
„ Ich kaufe auch eigentlich keine Menschen. Du küsst eigentlich keine Männer.“
„ Sonst trage ich nicht bloß einen BH“, steuere ich verlegen bei und hoffe, dass er den Wink versteht.
„ Es scheint mir ein guter Abend für Neuanfänge zu sein.“
So viel dazu.
„Wenn ihr möchtet, dass ich etwas trinke, Herr, dann werde ich das tun.“
„ Ich will wissen, was du willst?“, sagt er lauernd.
„ Ich will keinen Ärger bekommen.“
„ Mit Ärger meinst du solche Blutergüsse?“ Er wedelt mit dem Finger in meine Richtung. „Du solltest mich nicht wütend machen, Elise. Ich schlage keine Frauen.“
„ Aber...“
Er verdreht die Augen. „Aber was?“
„Wenn ich Sie nicht wütend machen soll, Herr, doch Sie mich nicht schlagen, womit genau drohen Sie mir eigentlich?“
„ Berechtigter Einwand.“ Er starrt mich aus lodernden Augen an. „Vielleicht kompensiere ich meine Wut anderweitig.“
Ich ziehe schützend die Beine vor meinen Bauch und schlinge meine Arme darum.
„Herrje Elise, wenn du dich so zusammen rollst, siehst du nicht größer aus als eine Bratkartoffel.“
„ Es tut mir leid.“
„ Dass du wie eine Bratkartoffel aussiehst?“ Er schüttelt erstaunt den Kopf. „Du entschuldigst dich für wirklich alles, oder? Möchtest du deinen Pullover wieder anziehen?“
Ich horche auf und sehe ihn dankbar an.
„Wenn ich es darf, Herr.“
„ Um Himmels Willen, nimm das Ding endlich. Aber wir müssen einkaufen. Deine Sachen sind furchtbar.“ Als ich mich entschuldigen will, hebt er sofort abwehrend die Hand. „Regel Nummer zwei: Du bittest nur dann um Verzeihung, wenn du selbst etwas falsch gemacht hast. Etwas, das in deinem Einfluss liegt.“
„ Wie Ihr wünscht, Herr.“
Ich rutsche zu meinem Pulli und schlüpfe hinein. Er ist weder schön noch weich. Ein launischer Stoff, der nach dem Trocknen hart wird und sich trägt, als würde man mit Küchenbrettern bekleidet sein. Nur endlich bin ich nicht mehr so nackt. Ich lächle ihn selig an.
„Es ist abenteuerlich, dass man dich mit so etwas glücklich machen kann.“
Konstantin Rouillard sieht aus, als wäre dies tatsächlich ein Rätsel für ihn. Möglicherweise kennt er ausschließlich promiskuitive Frauen, die lieber die ganze Zeit nackt sind. Dieser Gedanke verursacht
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