Schattenherz
derartige Neuigkeiten war er sichtlich nicht gefaßt. Ein alter Mann in einem eleganten grauen Seidenburnus unter seinem gelben Reiseumhang flüsterte dem Kommandanten von hinten ins Ohr: »Sabbis etolo! Verissa oan.« Tötet ihn! Er ist auf verbotene Früchte aus.
Borenson heftete den Blick auf den Alten. Er war
offenkundig kein Soldat, und weder Händler noch Reisender.
Er war eine Art Berater Raj Ahtens. Höchstwahrscheinlich im Range eines kaif – was sich mit ›alter Mann‹ oder ›Ältester‹
übersetzen ließ. Wichtiger jedoch, er schien Borenson feindlich gesinnt zu sein.
»Es gilt als verbotene Frucht, einen Blick auf die Konkubinen zu werfen«, sagte Borenson. »Ich wußte nicht, daß es als verbotene Frucht gilt, eine Nachricht zu überbringen.«
Der Alte funkelte Borenson wütend an, schaute scheel und hielt es offensichtlich für eine Beleidigung, einem Mann seines Ranges zu widersprechen.
»Was Ihr sagt, ist richtig«, antwortete der Unbesiegbare. »Ich bin allerdings überrascht, daß Ihr vom Palast in Obran gehört habt. Von den einhundert Männern hier haben nur der Kaifba und ich jemals davon gehört.«
Kaifba. Großer Ältester. »Dann darf ich meine Nachricht also überbringen?«
»Wozu braucht ein Bote Rüstung und Waffen?« wollte der Unbesiegbare wissen.
»Die Pässe in den Bergen sind gefährlich. Eure
Meuchelmörder nehmen keine Rücksicht auf das
Waffenstillstandsbanner.«
»Seid Ihr sicher, daß es meine Meuchelmörder waren?« fragte der Unbesiegbare, als hätte Borenson ihn beleidigt. »Die Berge sind voller Räuber und noch üblerem Gesocks.« Der Unbesiegbare wußte verdammt gut, daß es seine
Meuchelmörder waren.
Borenson ließ seinen Schild fallen. Er zog die Axt aus ihrer Halterung und warf sie auf die Straße. Dann nahm er seinen Helm ab und zog seinen Ringpanzer aus und ließ diese ebenfalls fallen.
»Bitte, seid Ihr jetzt zufrieden?« fragte Borenson.
»Ein Bote braucht keine Gaben«, erklärte der Unbesiegbare.
»Zieht Eure Jacke aus, damit ich sehe, wessen Stärken Ihr übernommen habt.«
Borenson streifte seine Jacke ab und zeigte ihm die weißen, unregelmäßigen Narben, wo ihn die Zwingeisen
zweiunddreißigmal zart berührt hatten. Durchhaltevermögen, Muskelkraft, Anmut, Stoffwechsel, Geisteskraft. Alles war vorhanden.
Der Unbesiegbare brummte: »Ihr behauptet, der Bote eines Königs zu sein, und doch führt Ihr einen leeren Schild wie ein Unabhängiger Ritter. Die kommen oft hierher, um die Übereigner meines Lords zu töten. Andererseits muß ich mich fragen, welcher von ihnen so dumm wäre, in aller Öffentlichkeit zu reiten? Und ich frage mich, welcher Unabhängige Ritter besitzt so viele Gaben?«
»Mein Name lautet Borenson. Ich war früher Gardist des Erdkönigs. Jetzt bin ich ein leerer Schild und kann tun und lassen, was ich will. Und ich habe beschlossen, diese Nachricht des Erdkönigs zu überbringen und um Frieden zu ersuchen.«
Er stand schwer atmend und trotzig da. Ohne Waffen oder Rüstung wäre er nicht einmal imstande, es mit diesem einen Unbesiegbaren aufzunehmen, von den anderen ganz zu schweigen. Er war ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
»Meuchelmörder«, ging ein Murmeln durch die Reihen der Männer, und sie blickten ihn finster an. Einer schlug vor: »Schafft ihn zum Abgrund – und bringt ihm Fliegen bei!«
Der Kaifba jedoch sagte leise in der Sprache von Deyazz:
»Die Geschichte, die Ihr erzählt, klingt interessant – schwer zu beweisen, schwer zu widerlegen. kennt den Palast der Konkubinen, obwohl kein Mensch aus Eurem Land je von ihm gehört hat. Und ich hat noch nie von dieser Saffira gehört, ich weiß allerding daß der Emir zahlreiche Töchter hat.« Er schien davon überzeugt, daß er, wäre sie eine Person von Bedeutung ihren Namen gekannt hätte.
»Es gilt in Eurem Land als verbotene Frucht, ihren Namen auszusprechen«, erwiderte Borenson. »Ich habet ihn von einem Mann erfahren, der früher als Berater des Großen Lichts persönlich gedient hat – Jureem. Er sitzt jetzt an der Seite des Erdkönigs. Ein Kaifba würde Jureem, der Raj Ahtens oberster Berater gewesen war sicherlich kennen.«
»Wie lautet Eure Nachricht?« fragte der Kaifba. »Verratet sie mir, vielleicht gebe ich sie dann weiter.«
Bei den Deyazz konnte eine Nachricht ohne weiteres von einem Dritten überbracht werden, ohne daß man damit den Sender oder den Empfänger der Nachricht beleidigte.
Borenson wußte jedoch, daß Geschenke
Weitere Kostenlose Bücher