Schattenherz
folgen.
Sie stieg auf ihr Pferd, gab ihm die Sporen und ritt über die Brücke, dabei entging ihr nicht, daß Celinor neben ihr herritt.
Beim Gasthaus eingetroffen, stieg sie ab, doch Celinor blieb auf dem Pferd sitzen und beobachtete sie. Sie stand im Schatten der Veranda und sah sich um. Der hefige Geruch von Bier war mit den Jahren in die Dielenbretter eingezogen.
»Kommt Ihr nicht mit hinein?« fragte sie.
Sein Gesicht wirkte starr, entschlossen. Er schüttelte nur den Kopf, dann entschuldigte er sich. »Ich reite schon vor und gönne meinem Pferd noch ein paar Minuten Ruhe.«
Erin ging in das Gasthaus hinein, gefolgt von ihrer Days, und setzte sich mit ihr an einen Tisch. Kurz darauf eilte ein Serviermädchen herbei und fragte: »Was wünscht die Dame?«
Der Besitzer der Herberge, ein dickbäuchiger Kerl, saß bei König Orden und unterhielt sich freundlich. Sie hörte mit, wie der Mann Gaborn zu seiner noch nicht lange zurückliegenden Hochzeit gratulierte.
»Einen Krug Bier«, sagte sie. Die Magd eilte davon.
Kurz darauf stieg der Gastwirt persönlich die Stufen hinab und half, einige Bierkrüge heraufzuholen. Der dicke König Orwynne sagte mit seiner hohen Stimme: »Sieht ganz so aus, Euer Hoheit, als hätte Prinz Celinor Angst, sich zu uns zu setzen.«
»Gut«, erwiderte Gaborn. »Ich hatte gehofft, daß er vielleicht die Kraft besitzt, diesen Ort nicht zu betreten.«
»Aber glaubt Ihr wirklich, das dauert lange?« fragte König Orwynne. »Ich für meinen Teil glaube, nicht einmal der Zorn des Erdkönigs wird ihn die ganze Woche über dem Trunke entsagen lassen. Ich wette zehn Goldadler, mein Lord, bis zum morgigen Sonnenuntergang stürzt er von seinem Pferd.«
»Hoffentlich nicht«, sagte Gaborn und schlug die Wette aus.
Erin fragte erstaunt: »Euer Hoheit, habt Ihr mit Prinz Celinor gesprochen?«
König Orwynne warf ihr einen jener abweisenden Blicke zu, mit denen manche Kriegslords die Frauen aus Fleeds bedachten. Er respektierte sie nicht, trotzdem antwortete er:
»Der Trunkenbold besaß die Dreistigkeit, sich heute morgen, bevor wir losgeritten sind, dem Erdkönig zu präsentieren und ihm sein Schwert anzubieten. Der Erdkönig hat ihn selbstverständlich abgewiesen.«
Gaborn saß, die Hände auf dem Tisch gefaltet, erschöpft da und starrte in sie hinein. »Seid nicht so grob. Der Mann hat ein gutes Herz, aber ich konnte nicht guten Gewissens einen Mann Erwählen, der harte Getränke lieber mag als sich oder seine Mitmenschen.«
»Ihr habt ihn also abgewiesen?«
»Abgewiesen nicht«, sagte er. »Ich bat ihn um ein Zeichen seiner Reue. Ich bat ihn, sein größtes Vergnügen aufzugeben.
Wenn es ihm gelingt, nüchtern zu bleiben, werde ich ihn als Gegenleistung Erwählen.«
Erin hatte noch nie gehört, daß sich der Erdkönig mit Männern auf solche Handel einließ. Sie hatte er vorbehaltlos Erwählt. Trotzdem war sie froh darüber, daß der Mann sich bei Belohnung vielleicht besserte.
Als ihr Bier kam, trank sie nur einen kleinen Schluck, nahm den Krug und ging nach draußen, wo ihr Pferd am Geländer festgebunden war. Sie goß sich Bier in die Hand für das Tier, ließ es saufen, wobei die Haare an seiner Schnauze sie kitzelten. Ein ordentlicher, kräftiger Schluck würde ihrem Pferd guttun und ihm die nötige Kraft verleihen, mit den Pferden der anderen Lords Schritt zu halten. Ihr Roß war ein gutes Kraftpferd, das je eine einzige Gabe der Körperkraft, des Stoffwechsels und der Anmut besaß, es war jedoch nicht so verschwenderisch mit Gaben ausgestattet wie Gaborns Streitroß oder einige der anderen Reittiere im Gefolge.
Sie fand Gaborns Bemerkung erstaunlich. Er hatte gesagt, Celinor habe ein ›gutes Herz‹. Was genau bedeutete das?
Celinor hatte gestern nichts anderes getan, als seinen Zweifel an Gaborns Anspruch zu äußern. Der Hauptmarschall hatte angedeutet, Celinor könnte sogar ein Spion sein, der die Absicht habe, Gaborn zu vernichten. Der dagegen hatte in den Mann hineingesehen und ein gutes Herz entdeckt?
Das ergab keinen Sinn.
Vielleicht, so überlegte sie, machte es Gaborn nichts aus, wenn Celinor Bedenken hatte.
Nachdem sie ihrem Pferd etwas zu trinken gegeben hatte, brachte sie den Krug ins Haus zurück und warf eine
Kupfertaube auf den Tisch. Ihre Days folgte. Zusammen ritten sie aus der Stadt.
Erin entdeckte Celinor und dessen Days auf einer Wiese, die mit gelbem Löwenzahn und weißem Wiesenklee übersät war.
Der Prinz striegelte sein grasendes
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