Schattenherz
sich in Erins Zähnen und brannte ihr in Augen und Nasenhöhlen.
Schmutz klebte an den gefetteten Gliedern ihrer Rüstung, und schwerer Staub setzte sich in den Falten ihrer Kleidung ab.
Obwohl sie erst den halben Tag geritten waren, würde es vermutlich eine Woche dauern, bis sie sich wieder sauber fühlte.
Im Augenblick war daran nichts zu ändern. Sie war nur froh, daß sie nicht noch weiter hinten in der großen Masse der Soldaten reiten mußten, denn je näher man dem Ende der Kolonne kam, desto unerträglicher mußte es werden.
Viele Krieger in Gaborns Gefolge trugen Helme, die ihre Gesichter bedeckten, daher klappten sie bloß die Visiere herunter und gewährten so Gesicht und Augen ein wenig Schutz vor dem Staub. Erin beneidete sie. Sie bildete sich ein, selbst die höllische Hitze im Innern des verdammten Kopfschutzes wäre leichter zu ertragen.
Ihr Helm, der einer Reiterfrau, war ein rundes, offenes Stück mit einem Schutz für die Ohren, allerdings sogar ohne Nasenband. Ein Pferdeschweif, königlich blau gefärbt, bildete das Zimier.
Sie hielt sich beim Reiten ein Tuch vors Gesicht. Von hinten hörte sie lauten Hufschlag, als ein Reiter am Straßenrand entlanggaloppierte.
Er warf einen Blick auf Erin und machte Anstalten, sie zu überholen, als er plötzlich Gaborn erblickte und sein Pferd zügelte. Das Gesicht des Mannes bot ein Bild der Überraschung. Erin wurde klar, daß er nach dem Erdkönig gesucht hatte, doch sowohl König Gaborn Val Orden als auch König Orwynne waren übel verdreckt, und so konnte man sie kaum von gewöhnlichen Soldaten unterscheiden.
»Euer Hoheit«, beschwor der Bursche Gaborn, »die Truppen im hinteren Teil bitten um Erlaubnis, sich zurückfallen zu lassen. Der Staub setzt den Lungen der Pferde zu.«
Erin hätte fast lauthals gelacht. Offenbar machte es den Kriegern aus Heredon nicht das geringste aus, diesen Staub einzuatmen. Ihre Pferde waren es, die litten.
»Sie sollen sich zurückfallen lassen«, erwiderte Gaborn. »Ich sehe keinen Grund, in geschlossener Formation zu reiten, Hauptsache, alle erreichen Burg Groverman bis Einbruch der Nacht.«
»Danke, mein Lord«, antwortete der Mann nickend. Er kehrte jedoch nicht nach hinten zurück, um die frohe Kunde zu verbreiten. Statt dessen ritt er neben Gaborn her, als wollte er ihn um eine weitere Gefälligkeit bitten.
»Ja?« fragte Gaborn.
»Ich bitte um Verzeihung, mein Lord, aber Ihr seid doch der Erdkönig, könntet Ihr da nicht noch etwas tun?«
»Soll ich den Staub ganz verschwinden lassen?« fragte Gaborn amüsiert.
»Das würde man sehr zu schätzen wissen«, antwortete der Ritter, dessen Stimme vor Dankbarkeit nur so triefte.
Gaborn lachte, doch ob aus Vergnügen oder um den Mann zu verhöhnen, vermochte Erin nicht zu entscheiden. »Ich bin vielleicht der Erdkönig«, fuhr Gaborn fort, »und ich mag den Geschmack von Straßenstaub ebensowenig wie Ihr. Aber glaubt mir, meine Macht kennt ihre Grenzen. Könnte ich dafür sorgen, daß der Staub sich legt, würde ich es tun. Öffnet die Reihen. Laßt jeden Mann die Gangart seines Pferdes selbst bestimmen. Wer die schnellsten Pferde hat, wird zuerst auf Groverman eintreffen.«
Der Bursche musterte Gaborn von Kopf bis Fuß. Der
Erdkönig war mit einer Schmutzschicht bedeckt. »Jawohl, mein Lord«, erwiderte der Mann, dann schwenkte er sein Pferd herum und gab Befehl, die Formation aufzulösen.
In diesem Augenblick ließen die Könige ihren Pferden ihren Willen und jagten von den gewöhnlicheren Pferden davon.
Erin schloß sich ihnen an, und Gaborns Späher in
allervorderster Reihe mußten sich anstrengen, um weiterhin vor der Armee zu bleiben.
In ihren Steigbügeln stehend ritt Erin an die Seite ihres Königs und ließ sich vom Wind einen Teil des Staubes aus Kleidern und Haar fegen.
Prinz Celinor an ihrer Seite folgte ihrem Beispiel. Sie sah hinüber und ertappte den Prinzen dabei, wie er sie anstarrte.
Er wandte sich ab, als er ihren prüfenden Blick bemerkte.
Erin besaß keine Gabe der Anmut, die ihr Gesicht hätte verderben können. Fleeds war ein armes Land, daher wurden auf Erlaß der Erhabenen Königin keine Gaben der Anmut gewährt. Man konnte es sich nicht leisten, Blutmetall dafür zu verschwenden, die Schönheit einer Frau zu mehren, solange es für das Erz eine bessere Verwendung gab.
Trotzdem, auch ohne eine Gabe der Anmut fanden manche Männer sie attraktiv. Sie wunderte sich nur, daß Prinz Celinor sie so anstarrte. Er besaß wenigstens
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