Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
Vom Netzwerk:
und sich schnellstens in den Dunnwald zu begeben.
    Währenddessen eilte Binnesman durch die Türme des
    königlichen Bergfrieds, verstreute Kräuter und zeichnete Runen über die Tore.
    Gegen zwei Uhr nachmittags ertönte Gaborns Befehl lauter denn je zuvor. »Flieht jetzt, ich flehe Euch an! Euch allen droht der Untergang!«
    Binnesman kam seinen Turm heruntergerannt. »Meine
    Dame«, rief er Myrrima zu, da Iome in einen Streit mit Tuchhändler verwickelt war, der sich weigerte, in Geschäft im Stich zu lassen. Er war gerade damit beschäftigt, Wolle scharlachrot einzufärben, und das war ein heikles Unterfangen. Zog er die Wolle vorzeitig aus den Fässern, bekäme sie eine verschwommen rosa Farbe. Wurde der Stoff nicht gewendet, so waren ungleichmäßige Flecken die Folge.
    Ließ er ihn zu lange drin, würde sich die Wolle weiten und das Gewebe sich auflösen, womit der Stoff ruiniert wäre.
    »Meine Dame«, rief Binnesman abermals zu Myrrima
    hinüber. »Ihr müßt Ihre Hoheit augenblicklich von hier fortschaffen! Der Erdkönig hat gesprochen. Es darf keine weiteren Verzögerungen geben.«
    »Ich bin ihre Dienerin«, entgegnete Myrrima. »Nicht ihre Herrin.« Doch dann fiel ihr Jureems Bemerkung vom Vortag ein, die er vor dem Hundehändler fallengelassen hatte: Ein Diener kommt den Wünschen seines Herrn stets zuvor.
    Myrrima packte eine fürchterliche Angst. Immer wieder hatte Gaborn sie gewarnt, und jedesmal hatte in seiner Warnung größere Verzweiflung mitgeschwungen. Sie konnte sich dem Willen ihres Königs schwerlich widersetzen. »Ich werde mir alle Mühe geben«, erwiderte Myrrima. »Ich werde versuchen, sie dazu zu bringen, daß sie zuhört.«
    »In ein paar Minuten bin ich zurück«, erwiderte Binnesman.
    »Ich möchte ein letztes Mal nach den Kranken sehen, bevor ich meine Mündel auf freien Fuß setze. Seid bitte fort, wenn ich wiederkomme.«
    Er griff in die Taschen seines Gewandes und zog ein mit Blättern gefülltes Spitzentaschentuch hervor. »Seht zu, daß Ihr Iome, Sir Donnor und Jureem ein paar von diesen gebt. Es ist stark wirkender Goldlorbeer sowie Malvenwurzel, Chrysanthemenblätter und Rabenglaub. Das sollte ein wenig Schutz vor dem Glorreichen der Finsternis bieten.«
    »Danke«, antwortete Myrrima ein wenig verwirrt. Das Bündel war klein, und sie wußte kaum, wie sie es aufteilen sollte. Binnesman war ein meisterlicher Kräuterkenner. Seine Macht als Erdwächter ermöglichte ihm, die Wirkung eines jedes Krautes zu verstärken. Selbst ein kleines Bündel seiner Kräuter wäre eine große Hilfe.
    Er lief den Butterweg hinauf zum ›Hort des Ebers‹.
    Myrrima blieb einen Augenblick lang stehen und überlegte, wie sie den Beutel aufteilen sollte. Noch vor zwei Wochen hatte sie Blumen auf dem Markt in Bannisferre verkauft.
    Vielleicht hatte sie deshalb eine hiesige Kräuterfrau unter ihre Fittiche genommen. Manchmal, im Spätherbst oder Vorfrühling, bat sie Myrrima ihr bei seltsamen Ernten zur Hand zu gehen – wenn sie die Felder nach Wurmsamen oder Wiesenfrauenmantel absuchte. Auf solchen Ausflügen erzählte die Frau dann endlos über die Macht der Kräuter.
    Zwar war Myrrima die Kraft der blühenden Kräuter selber wohlvertraut, doch was sie hier in Händen hielt, gehörte zu jener Sorte geheimnisvoller Wurzeln, mit denen Zauberer sich befaßten. Trotzdem kannte sie ihre weltliche Verwendung.
    Kalmus und Lorbeer boten Schutz gegen Blitze. Viele Lords pflanzten es neben ihren Häusern oder Pferchen an, auch wenn keine Sorte so wirkungsvoll war wie Goldlorbeer.
    Malvenwurzel galt als Heilmittel bei Verbrennungen, und Chrysanthemen, rings um das Haus gepflanzt, konnten es vor Übergriffen durch ein Feuer von außen bewahren.
    Rabenglaubblätter konnten jedem anderen Kraut beigemengt werden, um dessen Wirkung zu erhöhen.
    Myrrima kannte zwar die Wirkung der Kräuter, nicht aber deren Dosierung. Sie würde einige Minuten brauchen, um den Beutel aufzuteilen.
    Myrrima ging zu Iome: »Meine Dame, bitte laßt uns
    aufbrechen. Die Stadt ist größtenteils durchsucht, außerdem wird es spät.«
    »Bis zum Einbruch der Nacht sind es noch Stunden«,
    erwiderte Iome. »Es sind sicher noch mehr Menschen in der Stadt zurückgelassen worden.«
    Myrrima flehte sie an: »Dann überlaßt es der Stadtgarde, sich um sie zu kümmern. Ihr könnt einen Kommandanten
    ernennen, der an Eurer Stelle eine Lagebeurteilung
    vornimmt.«
    Iome wirkte erregt und besorgt. Schweißperlen traten ihr auf die Stirn. »Das

Weitere Kostenlose Bücher