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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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Schossen flußaufwärts zum Dunnwald und weiter zum Oberlauf des Wye davon.
KAPITEL 26
Obran
    A
    uf dem Ritt zum Palast der Konkubinen schonte Borenson seine Augen. Noch immer setzten ihm Trauer und
    Erschöpfung arg zu. Nie war er ganz sicher, ob er bloß einen Moment lang eingenickt war oder eine ganze Stunde geschlafen hatte. Die Pferde galoppierten unablässig weiter. Es schien nur Augenblicke gedauert zu haben, bis Pashtuk Borenson in die Rippen stieß.
    »Wir sind da«, sagte der Unbesiegbare und deutete mit dem Kopf auf ein Tal unten. »Der Palast der Konkubinen.«
    Borenson hob den Kopf. Er fühlte sich durch die kleine Pause nicht erfrischt, fühlte sich überhaupt nicht, als hätte er geschlafen. Und auch der ›Palast‹ wurde seinen Erwartungen nicht gerecht. Er hatte sich ein verschwenderisches Bauwerk aus Stein vorgestellt, ähnlich den mit goldenen Kuppeln überkrönten Palästen im Norden, mit hoch aufstrebenden Bögen über den Säulengängen und weiten, offenen Innenhöfen.
    Doch dort, auf der anderen Seite des Tales, lehnten nur ein paar windschiefe alte Steinhäuser an der felsigen Wand eines steilen Abhangs.
    Aus der Ferne schien es sich um einen sehr alten Ort zu handeln, eine verlassene Ruine. Das Tal ringsum war übersät mit zerklüfteten Felsen und uralten Findlingen, mit stacheligem Gestrüpp und Fettholz. Er konnte kein Wasser in der Nähe riechen. Nichts deutete auf Viehherden hin – weder auf Kamele noch Pferde oder Ziegen. In der Stadt schienen nirgendwo Feuer zu brennen. Nirgendwo auf den Mauern waren Posten zu erkennen.
    »Seid Ihr sicher?« fragte Borenson.
    Der Unbesiegbare nickte bloß.
    »Natürlich«, erkannte Borenson. »Niemand würde seinen kostbarsten Schatz in aller Offenheit verstecken.« Der Palast lag im Verborgenen, eine namenlose Ruine in der Ödnis.
    Obran. Borenson hatte geglaubt, das Wort bedeute Stadt des Alten Königs. Doch jetzt kam ihm eine andere mögliche Übersetzung in den Sinn: Ruinen des Königs.
    Pashtuk führte ihn den Pfad hinunter.
    Sein Pferd trottete bereits im Paßgang durch die Tore der uralten Stadt, während Borenson noch immer keine Spur von Wachen sah. Tatsächlich war das Torhaus ein nicht mehr zu verteidigender Steinhaufen, der vor Jahrhunderten in sich zusammengefallen war. Die übereinandergeschichteten Steine dessen, was er für den Palast gehalten hatte, erwiesen sich bei genauerem Hinsehen als prächtiges Nest für Skorpione und Nattern.
    Wohin er auch ging, überall sonnten sich große graue Echsen auf den Steinen. Sie huschten davon, sobald er sich näherte.
    Vögel gab es reichlich – Wüstenspatzen im Fettholz und gelbbrüstige Fliegenschnäpper.
    Es gibt doch Wasser hier, stellte er fest. Sonst wären die Tiere nicht so zahlreich. Trotzdem konnte er nichts erkennen, was auf Wasser hindeutete – keine Brunnen, keine üppigen Bäume, die in großer Zahl wuchsen.
    Er ritt durch die Straßen der Stadt bis vor eine große, alte Ruine, eine Art Regierungsgebäude oder Rathaus. Der Unbesiegbare führte ihn, immer noch zu Pferd, mitten dort hinein, so als machte man sich hier nicht die Mühe abzusteigen, bevor man den Thronsaal eines Lords betrat.
    Das Dach des Rathauses war eingefallen. Die Wände waren früher mit leuchtenden Wandgemälden von Lords alter Zeiten in langen weißen Seidenmänteln bemalt gewesen (die scheinbar alle seltsam lockiges Haar hatten). Jetzt jedoch hatte die Sonne die Wandgemälde so weit ausgeblichen, daß nur noch ein paar erdfarbene Pigmente zu erkennen waren.
    Endlich entdeckte Borenson einen Beweis für Leben. In die gegenüberliegende Mauer des Thronsaals hatte jemand vor nicht langer Zeit einen Durchbruch gegraben, hinter dem ein schmaler, enger Felsspalt sichtbar wurde.
    Auf dieser Seite lag dieser Spalt im Dunkeln, weiter vorn konnte er sehen, daß er sich weitete, denn dort schien Sonnenlicht herein, das den dahinterliegenden Pfad erhellte.
    Und jetzt sah er die Wachen.
    Zwei Unbesiegbare traten aus dem Schatten und begannen in einem indhopalesischen Dialekt, dem Borenson nicht ohne weiteres folgen konnte, laut auf Pashtuk einzureden.
    Pashtuk zeigte ihnen die Zwingeisen und erläuterte
    Borensons Botschaft. Die Unbesiegbaren entboten die üblichen Todesdrohungen, die, wie Borenson allmählich dämmerte, den größten Teil der Gespräche unter Soldaten in diesem Land ausmachten.
    Nach dem Verlust seiner Gaben fühlte er sich so erschöpft, daß es ihm schlicht gleichgültig war, ob sie ihn umbrachten

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