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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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Augenblick waren die Greifer vergessen. So mancher junge Himmelsgleiter war im Laufe der Jahrhunderte über diesen Felsen abgestürzt. Averan hatte mit ansehen müssen, wie die kleine Kylis letztes Jahr abgestürzt war, und hatte den Todesschrei des Mädchens gehört. Eine kleine Ewigkeit lang fürchtete Averan jetzt, Ledernacken wäre nicht imstande, ihr Gewicht zu tragen, und würde sie beide in den Tod reißen.
    Dann fanden die Flügel des Graaks in der Luft Halt, und sie glitt dahin.
    Sie sah sich um. Brand winkte ihr von dem felsigen Ausguck des Graakhorsts zu, während ihm die Morgensonne ins Gesicht schien. Dann zog er sich mannhaft wieder ins Innere der oberen Schläge zurück.
    Für Averan sah es so aus, als verschluckte ihn der Berg. Fast war sie versucht, ein paar Augenblicke über der Stadt zu kreisen, um das Eintreffen der Greifer zu beobachten, wußte aber, daß diese Bilder sie auf Jahre hinaus verfolgen würden.
    Daher lenkte sie den Graak mit kleinen Stößen ihrer Füße und leise gesprochenen Kommandos in Richtung Norden, hinweg über die wallenden, wie Meereswogen glitzernden Nebelschwaden. Und während Ledernacken sie von dannen trug, wischte sie sich bittere Tränen aus den Augen.
KAPITEL 5
    Bärengeschichten
     
    A
    lso, kurz darauf schleudert Euer Sohn seinen Speer auf den alten Eber«, erzählte Baron Poll voller Schadenfreude, »und da er sich für einen Meisterschützen hält, zielt er ihm genau zwischen die Augen. Aber der alte Eber muß einen Dickschädel gehabt haben wie der Narr des Königs, denn der Speer prallt vom Schädel ab, und das Biest trägt kaum mehr als einen Kratzer davon!«
    Baron Poll mußte schmunzeln, als er daran dachte, während Roland nach vorn auf die Straße blickte. Sie ritten gemächlich in den Nachmittag hinein, damit ihre Tiere verschnaufen konnten, und waren noch einen halben Tagesritt von Carris entfernt.
    »Den alten Eber packt also die Wut, er senkt seine Schnauze und wühlt im Dreck, während ihm das Blut über die Hauer strömt. Nun wißt Ihr sicher, die Wildschweine im Dunnwald sind so groß wie Pferde und so zottelig wie Yaks. Und Euer Sohn, damals gerade dreizehn, erkennt, daß dieser Eber im Begriff steht anzugreifen, hat aber nicht genug Verstand zu tun, was jeder Mann in einer solchen Lage tun sollte.«
    »Und das wäre?« fragte Roland. Er hatte noch keine
    Wildschweine im Dunnwald gejagt.
    »Naja, sein Pferd herumreißen und das Weite suchen!«
    gröhlte Baron Poll. »Nein, Euer Sohn sitzt da, starrt das Vieh an, daß sein Pferd zu einer prächtigen Zielscheibe wird, und hat sich mittlerweile zweifellos längst in die Hosen gemacht.
    Also, der alte Eber attackiert und erwischt das Pferd genau unterm Bauch, reißt dem armen Tier die Därme raus und schleudert Euren Sohn gut vier Fuß weit in die Höhe.
    Jetzt war es, wie ich schon erwähnte, ungefähr eine Stunde her, daß wir die Hunde aus den Augen verloren hatten, und wir waren die ganze Zeit geritten, um sie wiederzufinden. Wir konnten sie in den Bergen kläffen hören, müßt Ihr wissen.
    Euer Sohn wird also abgeworfen, sein Pferd humpelt
    irgendwie von dannen, und der Eber sieht Euren Sohn dort stehen. Dann rennt er los, so schnell, daß ich dachte, ich schwöre es bei den Mächten, er hätte abgehoben!«
    Baron Polls Augen leuchteten vor Freude, weil er die Geschichte zum besten geben konnte. Es klang, als hätte er sie bereits viele Male erzählt und sich alles gut zurechtgelegt.
    »Dann hörte der junge Knappe Borenson das Gekläff der Hunde und denkt sich – wie wir später herausfanden – Ich renne zu den Hunden! Sie werden mich beschützen!
    Also flitzt er los und rennt durch den Farn, und der Eber, ihm dicht auf den Fersen, immer hinterher.
    Nun hatte Euer Sohn damals gerade zwei Gaben des
    Stoffwechsels übernommen – Ihr könnt Euch also vorstellen, wie schnell er läuft. Während er mit dreißig Meilen in der Stunde losrennt, schreit er ständig ›Mörder! Mörder!‹, als sei er mit Gebrüll hinter einem Verbrecher her – und jedesmal, wenn er langsamer wird, jagt ihm dieser Eber eine Todesangst ein.
    Gut. Er rennt also ungefähr eine halbe Meile, die ganze Zeit bergauf, und so ganz langsam fange ich an zu denken, allmählich werde es Zeit, ihm das Leben zu retten, also stürme ich auf meinem Pferd ebenfalls den Hang hinauf, dicht hinter ihm und dem Eber, aber sie laufen so schnell durch das Unterholz, daß ich ständig Umwege machen und nach einem weniger überwucherten Pfad

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