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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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suchen muß, daher komme ich nie so recht auf Wurfweite an den Eber heran.
    Dann erreicht Euer Sohn die Hunde. Sie hocken samt und sonders mit hängender Zunge unter dem Stamm dieser
    mächtigen Eberesche. Alle paar Augenblicke stimmt einer der Hunde wie zum Zeitvertreib ein Geheul an, und Euer Sohn denkt sich: Ah, ich klettere auf den Baum, dann werden mich die Hunde sofort retten.
    Euer Sohn steigt also in den Baum. Die Hunde springen erwartungsvoll auf, betrachten ihn aufmerksam und wedeln mit ihren Stummelschwänzen, derweil der junge Borenson sich mit Armen und Beinen zwanzig Fuß am Baum hochzieht.

Und plötzlich ist der Eber mit einem Satz mitten unter den Hunden. Nun hat der alte Kerl, wie es scheint, schon einiges durchgemacht und kann die Hunde auch nicht besser leiden als Euren Sohn, und da er nun sieht, daß die Hunde sich allesamt schon ziemlich abgerackert haben und ein wenig erstaunt darüber sind, ein Fünfzehnhundert-Pfund-Ungeheuer in ihrer Mitte vorzufinden, senkt er die Hauer und schleudert den ersten Köter, der ihm vor die Nase kommt, in die Luft und hat zwei weitere aufgeschlitzt, bevor sie noch richtig begreifen, was eigentlich los ist.
    Also beschließt der Rest der Hunde – das kleine Rudel bestand nur aus etwa fünf oder sechs –, das, was von ihren Stummelschwänzen noch geblieben ist, einzuklemmen und den nächsten Gasthof anzusteuern. Knappe Borenson fängt also an, nach mir zu rufen: ›HiIf mir – du verdammter Hurensohn! Hilfe!‹
    Tja, denke ich bei mir, das ist wirklich keine Art, sich an jemanden zu wenden, der einem das jämmerliche Leben retten soll, und da ich ihn in Sicherheit auf dem Baum hocken sehe, zügele ich mein Pferd, als wollte ich es ein wenig verschnaufen lassen.
    Und just in diesem Augenblick vernehme ich ein äußerst befremdliches Geräusch – ohrenbetäubendes Gebrüll! Ich schaue hoch und sehe, weshalb Euer Sohn so schreit. Wie sich herausstellt, steckt der Baum, auf den er geklettert ist, voller Bären! Drei große Bären! Die Hunde hatten sie dort hinaufgetrieben!«
    Baron Poll mußte bei der Vorstellung so heftig lachen, daß er selbst zu brüllen anfing, und mittlerweile war er den Tränen nahe.
    »Euer Sohn sitzt also auf diesem Baum fest, worüber nun die Bären nicht übermäßig glücklich sind, und unten hockt der Eber, also breche ich in heftiges Gelächter aus und kann mich kaum noch im Sattel halten.
    Er beschimpft mich also lautstark – Freunde waren wir nie, müßt Ihr wissen – und befiehlt mir, ihn zu retten. Nun, ich bin zwei Jahre älter als er, und mit meinen fünfzehn Jahren ist mir klar, ich wolle lieber verflucht sein, als mich von einem Bengel herumkommandieren zu lassen, der noch vor zwei Wochen zwölf gewesen ist. Ich halte also beträchtlichen Abstand zum Baum und rufe ihm zu: ›Hast du mich gerade Hurensohn genannt?‹
    Und Euer Sohn brüllt: ›Allerdings!‹
    Nun ja, daß er die Wahrheit sagte, spielte keine Rolle«, fuhr Baron Poll fort. »Ich hatte nicht die Absicht, mich von einem Dreizehnjährigen beschimpfen zu lassen. Also schrie ich zurück: ›Nenn mich Bursche, oder du kannst dich alleine retten!‹«
    Baron Poll verstummte, wurde nachdenklich.
    »Was geschah dann?« wollte Roland wissen.
    »Das Gesicht Eures Sohnes wurde rot vor Zorn. Wie gesagt, wir waren nie die allerbesten Freunde, ich hätte jedoch nie vermutet, wie sehr er mich haßt. Seht Ihr, ich hatte ihn, als er klein war, immer gnadenlos tyrannisiert, ihn als Bastard beschimpft, und ich glaube, er hat mich durchschaut. Er wußte, daß ich von niedriger Abstammung war, daher war er der Ansicht, ich sollte ihn besser behandeln als andere Jungs – und nicht schlechter. Vermutlich also hatte ich seinen Haß verdient, nur wußte ich nicht, wie sehr ein Junge hassen kann.
    Er brüllte: ›Wenn du tot bist und du eines ehrenhaften Todes gestorben bist, dann werde ich dich ›Bursche‹ nennen! Aber keinen Augenblick vorher!‹«
    Ernster setzte Baron Poll hinzu: »Dann zog er sein Messer, kletterte diesen Baum hoch, fing an zu lachen und ging eigenhändig auf die Bären los.«
    »Mit nichts weiter als einem Messer?«
    »So ist es«, sagte Baron Poll. »Ihm standen Gaben der Muskelkraft und des Durchhaltevermögens zur Seite, vom Körperbau her war er jedoch nach wie vor nicht viel größer als ein Junge. Die Bären hatten sich auf einige dicke Äste zurückgezogen, und ich kenne keinen Mann, der noch bei Sinnen ist, der in einer solchen Situation gegen sie

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