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Schatteninsel

Schatteninsel

Titel: Schatteninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Hautala
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grüne Tasche war nicht zu sehen, Jenni würde sie selbst holen müssen. Aaron bewegte sich schnell und entschlossen, wie ein großes Insekt, wie einer, der tut, was getan werden muss, den Blick auf das gerichtet, was gerade anliegt, doch in Gedanken bereits weit weg, bei größeren Herausforderungen. Aaron ging auf das Haus zu und verschwand aus dem Blickfeld. Erst jetzt begriff Jenni.
    »Wo ist Miro?«, fragte sie.
    Ina blickte über die Schulter, dann nach draußen.
    »Ist er mit Aaron nach draußen gegangen?«
    »Wahrscheinlich«, sagte Jenni. »Ich seh mal nach.«
    Aaron hatte nicht gewusst, dass der Junge ihm folgte. Vielleicht hatte sich Miro schon auf dem Weg ablenken lassen, war im Haus geblieben, um irgendetwas zu erforschen. Oder er hatte im Wald etwas Interessantes gesehenund war hingelaufen. Bei dem Gedanken beschleunigte Jenni ihre Schritte. Es war eine routinehafte, durch die Wiederholung abgeschwächte Sorge. Sie ging an Markus’ Arbeitszimmer vorbei, ohne zu merken, dass der Türspalt nun ein wenig breiter war.
    Miro hörte zwar, dass seine Mutter nach ihm rief, doch er hatte keine Zeit, sich darum zu kümmern. Die Frau, die Mutter so ähnlich sah, hatte behauptet, die Tür sei abgeschlossen, aber Miro hatte sofort gemerkt, dass das nicht stimmte. Wenn sein Vater ihn in den Wandschrank sperrte, erschien mitten im senkrechten Lichtstreif eine schwarze Zunge. Wenn er herausgelassen wurde, verschwand sie und der Lichtstreif war wieder heil wie Ki Adi Mundis Laserschwert. Daran hatte Miro sofort erkannt, dass die Tür offen war.
    Er sah sich um. Staub schwebte in der Luft. Miro dachte an all den Staub, den er einatmete, kein Wunder, dass er manchmal Anfälle hatte. Die Rufe seiner Mutter kamen nun aus größerer Entfernung.
    Miro Miro Miro .
    Miro wiederholte seinen Namen, während er zum Bücherregal ging. Wenn man ihn oft genug sagte, begann er ganz seltsam zu klingen, wie der Name eines anderen. Er berührte die Buchrücken, zog das eine oder andere Buch so weit heraus, dass er das Titelbild sehen konnte. Auf einigen war ein Bild von dem Mann aus dem Erdgeschoss, ohne Narbe. Das brachte Miro zum Lachen, und er legte rasch die Hände vor den Mund, damit ihn keiner hörte und Vater oder Mutter nicht wieder Rabatz machten.
    Miro ging zu dem großen Tisch, der ihm fast ans Kinn reichte, und betrachtete die darauf liegenden Sachen. JederGegenstand ließ einen neuen Wortschwall aus seinem Mund strömen. Miro zog Schubladen auf. Manche klemmten so, dass er sie nicht ganz aufbekam. In einer befand sich eine schwarze Pappschachtel. Miro hob den Deckel an.
    Was was was .
    Er holte die Schachtel heraus und stellte sie auf den Tisch. Der Deckel ließ sich leicht abnehmen. Drinnen lag ein Schädel. So einer wie im Piraten-der-Karibik-Malbuch.
    Miro fasste den Schädel mit beiden Händen und drehte ihn hin und her.
    Keine unteren Zähne, Mutti, wie kann man essen, wenn man unten keine Zähne hat?
    Sein Blick folgte den Rissen, er steckte einen Finger in die Öffnungen, wo der Knochen dünn, fast wie Papier geworden war, schätzte immer wieder das Gewicht und malte sich aus, wie der Schädel zerbrechen würde, wenn er ihn an die Wand warf. Miro drehte sich zum Fenster. Helles Licht fiel herein und drang in jede Vertiefung, nur die tiefsten Risse blieben im Schatten, doch auch sie wurden sichtbar, wenn man den Schädel im richtigen Winkel drehte.
    Miro starrte in die Augenhöhlen. Es kam ihm vor, als käme ein Geräusch aus dem Schädel. Ein leises Rauschen. Er hielt sich den Schädel ans Ohr und lauschte. Ja, ein leises Rauschen, das hörte man, hätte es noch besser gehört, wenn man die Geduld hätte, lange genug zu schweigen.
    Wieder betrachtete Miro den Totenkopf. Auf dem Grund der Augenhöhlen war eine zerklüftete Öffnung, links größer als rechts. Miro besah sich jeden einzelnen Riss, überlegte, wieso die Augenhöhlen nicht einstürzten, obwohlder Knochen so dünn war. Er legte eine Hand unter den Schädel und tastete mit den Fingern, bis er ein Loch fand, erblickte bald darauf seinen eigenen Finger, der aus dem Loch in der Augenhöhle lugte. Er sah überhaupt nicht wie sein Finger aus. Er wackelte hin und her wie einer der kleinen weißen Würmer, die zu Hause im Garten unter den Steinen herumkrochen.
    »Iih«, flüsterte Miro und wollte den Finger herausziehen, doch der steckte in der Öffnung fest. Er schrie auf und schüttelte die Hand. Die scharfen Knochenränder kratzten ihm die Haut auf. Dann fiel

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