Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatteninsel

Schatteninsel

Titel: Schatteninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Hautala
Vom Netzwerk:
und darauf zu kauen wie auf Schweineknorpel. »Vielleicht ist in dem glühenden Ofen, von dem Ihr predigt, auch für Euch ein Platz bereitet.«
    Den Rest der Nacht schlief er unruhig, obwohl die Müdigkeit so schwer auf ihm lastete wie ein Pferdekadaver.
    Zwei Tage nach diesem Vorfall erwachte der Apotheker von dem Geruch nach gebratenem Fleisch und merkte, dass ihm Freudentränen in die Augen stiegen. Im Mund spürte er den himmlischen Geschmack von gebratenemSpeck. Er dankte Gott, bis ihm klar wurde, dass er nur an seinen eigenen Backen lutschte.
    Der Apotheker setzte sich auf und sah die im Schlaf murmelnden menschlichen Wracks um das Lagerfeuer. Niemand briet Fleisch, doch der Geruch war Wirklichkeit. Auch die Schlafenden nahmen ihn wahr. Sie fiepten wie hungrige Köter.
    Der Apotheker stand auf und schleppte sich aus dem Lichtkreis des Feuers. Da sah er zweierlei.
    Die Steine, die eines der Gräber markierten, waren beiseitegeschoben.
    Weiter weg flackerte ein zweites Feuer.
    Er betrachtete den Widerschein des Feuers, schnupperte und versicherte sich selbst, dass er nicht zum Sklaven der Hungerteufel werden würde, dass er über diesen Tieren stand und niemals so tief sinken würde.
    Er legte sich wieder hin, tat in dieser Nacht jedoch kein Auge mehr zu. Der Hunger biss in seine Eingeweide wie eine Schlange, während er die Gesichtszüge der Schlafenden zu erkennen versuchte, um festzustellen, wer fehlte. Wen der Hunger dazu getrieben hatte, seine Seele und seine Menschlichkeit zu verschachern.
    Jakob Mörts Gestalt zeichnete sich als schwarzer Klumpen hinter den Flammen des Lagerfeuers ab, eine Armlänge entfernt von den anderen Schläfern. Aus irgendeinem Grund war der Apotheker davon überzeugt, dass Mört wach gewesen war, als er selbst erwachte. Dass Mört seinen Kampf beobachtet, über seine bebenden Nasenflügel gelächelt und sich das Lachen verbissen hatte, als er nach der sündigen Mahlzeit ausgespäht hatte wie eine Ratte, die sich auf die Hinterbeine stellt.

I na saß allein in der Küche, als sie hereinkamen.
    »Friede auf Erden?«, fragte Jenni fröhlicher als beabsichtigt.
    »Aber ja«, sagte Ina. »Ich könnte uns jetzt etwas zu essen machen. Bitte Aaron auch herunter. Und sag ihm, keinen Streit. Wir sitzen einfach am selben Tisch. Essen gemeinsam. Ich kümmere mich um Lisa.«
    Jenni stimmte zu, obwohl sie keinen Hunger hatte. Da sie nun einmal hier waren, konnten sie den anderen nicht gut aus dem Weg gehen.
    Aaron stand im Gästezimmer vor dem Spiegel und löste seine Krawatte.
    »Ina bittet uns zum Essen.«
    »Aha«, sagte Aaron und legte die Krawatte auf die Stuhllehne.
    »Wir müssen wohl runtergehen.«
    »Wirklich?«, fragte er.
    Jenni bemerkte seinen seltsamen, fast flehenden Blick. Zerbrich jetzt nicht , dachte sie. Ich bin darauf angewiesen, dass du nicht zerbrichst . Sie ergriff Aarons Hand.
    »Wenn du es nicht erträgst, können wir unsere Sachen gleich wieder einpacken«, sagte sie. »Allein halte ich nicht durch.«
    Aaron sah zum Fenster hinaus. Miro lehnte sich an denBettrand und rieb seine Haare am Bettüberwurf, wütend wie ein Hund, der ein Plüschtier beutelt. Jenni wusste, dass der Junge dennoch jedes Wort hörte.
    Aaron nickte in die menschenleere Gegend hinter dem Fenster. Das war wohl ein Zeichen der Zustimmung.
    »Kein Streit«, sagte Jenni. »Ina hat es versprochen.«
    Aaron lachte freudlos, nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. »Hör auf, Miro«, mahnte er müde.
    Miro hörte nicht auf. Jenni mochte gar nicht daran denken, wie sehr sich die Haare des Jungen bei diesem verrückten Reiben aufluden.
    »Ich hab was am Kopf«, murmelte Miro, das Kinn auf die Brust gedrückt.
    Jenni ging zu ihm und zwang ihn, den Kopf von der Tagesdecke zu heben.
    »Was soll denn da sein?«
    »Was Ekliges.« Miro kratzte sich mit beiden Händen.
    »Hier drin gibt es keine Spinnen. Außerdem braucht man vor denen keine Angst zu haben. Das habe ich dir schon hundertmal gesagt.«
    Sie zog Miros Hände weg und gab ihm einen zärtlichen Nasenstüber.
    »Da ist nichts, Bärchen.«
    Miro versuchte erneut, sich zu kratzen.
    »Doch«, sagte er.
    Jenni suchte flüchtig seine Haare ab. In der Spielgruppe hatte es einmal Läuse gegeben. Seitdem glaubte Miro in regelmäßigen Abständen, ein Krabbeln am Kopf zu spüren. Es war wohl ein Fehler gewesen, ihm die Großaufnahmen im Internet zu zeigen.
    »Auf deinem Kopf sind nur die Haare eines albernen kleinen Jungen, sonst nichts.«
    »Ganz bestimmt?«,

Weitere Kostenlose Bücher