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Schattenjagd

Schattenjagd

Titel: Schattenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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ungefähr gleichauf. Manchmal übertrieb es Theron, rückte mir auf die Pelle und kam mir ein wenig zu nah. Das war die Wer-Variante gesellschaftlicher Rangeleien, aber ich hatte jetzt nicht das geringste Interesse daran, das Mädchen in der Mitte zu sein. In jeder anderen Nacht hätte es mich vielleicht amüsiert.
    Aber nicht heute. Beinahe den Löffel abzugeben lässt einen den Humor irgendwie verlieren.
    „Jetzt also mal von vorn, Robbie.“ Ich war gereizt, und Saul presste seinen Arm gegen meinen. Ich hörte auf, mir das Blut von den Händen zu reiben, und legte den Kopf an seine Schulter. Er lehnte sich leicht zurück und streichelte mit dem Kinn über mein noch immer feuchtes Haar.
    Ich entspannte mich ein bisschen, und meine Hände hörten allmählich auf zu zittern.
    Robbie blickte kurz auf und starrte schnell wieder auf seinen Kaffee. „So gegen halb elf bin ich zu dem Feld. War nicht besoffen, aber müde. Wollte einfach wohin und meine Ruhe haben, weißte? War noch mal schiffen und hab dann meinen Schlafsack ausgebreitet, mich eingerichtet. Dann hab ich mich hingelegt und war kurz vorm Einpennen. Hab noch drüber nachgedacht, ob ich mir ’nen netten Joint anzünden soll, um’s mir so richtig gemütlich zu machen, aber mir ist auch so langsam warm geworden. War ein verdammt kalter Tag, das sag ich dir. Da draußen auf der Straße.“
    Naja, klar, Silvester ist vorbei und wir haben die kälteste Zeit des Jahres. Ich seufzte. Saul legte den Arm um mich und zog mich an sich. Dann griff ich mir den ersten Waschlappen und wusch mir das Gesicht ab, schrubbte mir über die Wangen und die geschlossenen Augen. Ich komme damit klar, bis zum Hals im Dreck zu stecken, aber mein Gesicht mag ich gerne sauber.
    Nennt es von mir aus eine Marotte.
    Die Silberamulette in meinem Haar bewegten sich und klimperten leise. Sauls Zopf fiel mir gegen die Wange, als er sich umdrehte und die Bar unter die Lupe nahm.
    „Also. Weiß nich, wie spät es war, aber plötzlich höre ich einen Motor. Und zwar nicht von ’nem Streifenwagen oder so, sondern ganz leise – schnurrte wie ein Kätzchen, das Teil.“ Robbies gehetzte Augen weiteten sich, seine fleckigen Wangen waren käsig. Er schwitzte, man konnte riechen, dass er sich schon zu lange nicht mehr geduscht hatte und zu viel trank. Abgerundet wurde dieses Aroma von säuerlicher Angst. Obwohl seine Fingernägel brutal kurz waren, saß Dreck darunter.
    Mit einem Mal prickelte meine Narbe. Perry. Was hatte er dort draußen verloren gehabt? Für gewöhnlich verließ er das Monde nicht, sondern bevorzugte es, wie eine fette wachsbleiche Spinne mitten in seinem Netz zu sitzen.
    Dieses Bild, das vor meinem geistigen Auge auferstand, jagte mir einen Schauer über den Rücken, und Saul küsste meine Stirn.
    „Ich hab ein komisches Gefühl bei der Sache bekommen. Nur so ein Gefühl. Wenn man lange genug auf der Straße haust, dann kriegt man so ein Gefühl für so Sachen, die schräg sind. Wenn zum Beispiel, na ja, wenn die Kacke am Dampfen ist, Mann. Manchmal kriegt man keine Vorwarnung, aber meistens bekommt man dieses Gefühl, dass gleich irgendeine Scheiße passiert. Verstehste?“
    Ganz bestimmt sogar. Wenn sich ein Jäger einen Lehrling aussucht, legt er unter anderem Wert auf eine bestimmte hellseherische Begabung. Wenn ich davon nicht ohnehin schon immer viel gehabt hätte, hätte ich gar nicht lange genug überlebt, um meine Lehre anzutreten. „Wie Instinkt“, stimmte ich ihm zu.
    Seine Miene hellte sich auf, mit gebleckten gelben Zähnen grinste er in seine Tasse. „Genau, Instinkt. Das is’ das richtige Wort. Ich hab also dieses Gefühl gekriegt. Ich steh auf und geh zum Rand von dem Unterstand, so ganz gebückt. Schleich mich an. Und guck nach draußen.“
    Sein Griff um die Tasse verkrampfte sich, ich sah den Schmutz, der auf seinen Knöcheln und gesplitterten Nägeln haftete. „Da seh ich diesen schwarzen Bus, der einfach so dasteht. Und dann bemerk ich, dass er kein Nummernschild hat, und denke mir: vielleicht Zivilbullen. Also mach ich mich fertig, um mich von da zu verkrümeln. Aber dann geht die Tür auf, und dieses Ding springt raus. So wahr ich hier sitze, so ’n Ding wie ein gottverfluchter Affe. Aber dann kriecht es auf allen vieren weiter – wie in dem einen Film. Kennst du den Film, wo es diese Kreaturen gibt, die wie Menschen aussehen, aber sich ganz komisch bewegen?“
    Süßer, dafür muss ich nicht ins Kino. Solche Sachen sehe ich live und in 3D.

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