Schattenjagd
das widerlich!
Ich zitterte wie Espenlaub und konnte nicht aufhören. Jeder Gedanke war bestimmt von dem einen Bild, das sich mit zunehmender Panik in meinem Hirn breitmachte.
Ich hätte sterben können. Ich hätte sterben können. Oh, Gott, oh mein Gott, ich hätte sterben können.
12
Das Woo Song ist wenig mehr als ein kleines Loch in der Wand, über dessen einziger Tür ein Neonlicht-Drache brannte. Fenster gab es keine, und jedes Mal, wenn jemand raus- oder reinging, strömten die Gerüche fremdländischer Küche ins Freie. Da ich grün und blau und voller Blut war und generell schlechte Laune hatte, wartete ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite, bis Saul mit unserem nervösen Zeugen im Schlepptau auftauchte. Einmal mehr war ich froh darüber, einen so guten Partner zu haben.
Als er mich sah, riss Robbie die Augen auf. Saul seinerseits verzog kaum eine Augenbraue. Sein Blick fiel auf das Lederarmband an meinem rechten Handgelenk, das verdächtig mit blutgetränkt war. Er hatte die Hand auf Robbies Schulter gelegt und bewegte sich mit einer Mischung aus Wachsamkeit und Anmut, die mir wie üblich gleichzeitig Mut machte und mich irritierte.
Manchmal frage ich mich, was wohl passiert wäre, wenn ich nur eine normal menschliche Jägerin gewesen wäre, als wir uns kennenlernten. Die Narbe kennzeichnete Perrys Anspruch auf mich, ja … aber sie bedeutete auch, dass ich im Bett weniger leicht verletzbar war. Tatsächlich hätte ich wohl einige Male sterben können, wenn ich dadurch nicht widerstandsfähiger und schneller geworden wäre – und das hätte der Beziehung mit Saul einen entscheidenden Makel verpasst.
Was soll ich davon halten? Da treffe ich den perfekten Mann, nachdem ich meine Seele an eine Höllenbrut verpfändet habe. Aber wenn ich nicht unrein geworden wäre, könnte ich unmöglich eine Beziehung mit einem Werwesen haben.
Manchmal bilde ich mir nicht nur ein, dass Gott einen sadistischen Sinn für Humor hat.
Ich hielt mich in den Schatten verborgen und winkte die beiden in die Gasse, die dem Woo Song schräg gegenüberlag. Ich nahm an, dass Robbie der Schluckspecht sich wohler fühlen würde, wenn er die blutigen Lumpen, die ich trug, nicht mehr sehen konnte. Die Hälfte meiner linken Brust lugte hervor, mein Hemd war nicht mehr zu retten, und das feste Leder meiner Hose war zerfetzt. Auch mein langer Mantel war jenseits von Gut und Böse.
Als Jäger gibt man wahnsinnig viel Geld für Klamotten aus. Ich würde eine Ewigkeit brauchen, um das Blut aus meinen durchweichten Stiefeln zu waschen, falls es mir überhaupt gelingen sollte.
Scheiße.
Monty war nicht sehr erfreut gewesen, aber wenigstens war der diensthabende FBI-Agent – der schnittige, dunkle Juan Rujillo – ganz in Ordnung und würde keine Probleme machen. Alle beide waren blass geworden, als ich sie mit der Art von Vorfall konfrontierte, den jeder am meisten fürchtet: etwas, das auch ein Jäger nicht erklären kann und leider nicht aufhalten konnte.
Rujillo hatte versprochen, mir eine Liste aller professionellen Söldner in der Stadt zu besorgen, auch wenn er seine Befugnisse dafür etwas überschreiten musste. Das ist einer der Vorteile daran, ein Jäger zu sein: Für gewöhnlich bekommt man selbst von den knauserigsten Geheimdiensten Unterstützung angeboten. Revierkämpfe enden nur mit einer Menge Zivilopfern und unvorteilhafter Medienpräsenz, und das sind zwei Dinge, die kein Geheimdienst oder Gesetzeshüter gebrauchen kann. Vor allem die Letzteren nicht. Die wenigsten Maulwürfe, FBI-ler, Schnüffler oder Spione treten gerne aktiv auf den Plan. Das FBI hat dafür sein eigenes Jäger-Team, das Martindale-Kommando, und es kursieren Gerüchte, dass auch die CIA Agenten hat, die etwas mehr als nur menschlich sind.
Aber natürlich weiß ich von alldem nichts.
Eigentlich würde eine Liste aller ortsansässigen Söldner wenig helfen. So einen Angriff würde es kein zweites Mal geben. Jetzt war ich gewarnt, und die Söldnertruppe, die man auf mich angesetzt hatte, hatte schreckliche Verluste zu beklagen. Mir noch einen Kader auf den Leib zu hetzen, um mich aufzuhalten oder diesem Biest in die Fänge zu treiben, wäre ineffektiv. Und wer in diesem Spiel auch die Fäden in der Hand halten mochte – er war weder dumm noch ineffizient.
Zumindest was das anging, war ich mir sicher.
Ruji hatte mich einmal mehr beschuldigt, eine Bedrohung für öffentliches Eigentum zu sein, aber er hatte mir dabei zugezwinkert.
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