Schattenjagd
„Glaube schon.“ Gewissermaßen wollte ich unseren Zeugen nicht beeinflussen, also ließ ich ihn einfach reden.
„Dieser Film, wo die Kerle sich in Werwölfe verwandeln und dann auf ihren Händen und Füßen rennen, aber ihre Schultern sehen voll komisch aus. Und sie haben so merkwürdige Köpfe. ’ne Menge Zähne. Na ja. Jedenfalls springt also dieses verfluchte Vieh aus dem Wagen und fängt an rumzuschnüffeln. Ich krieg schon Panik, dass es mich vielleicht riechen kann, weil ich es nämlich ganz deutlich riechen konnte. Hat nach nassem Köter gestunken, der sich in ’nem Puff die Seele aus dem Leib kotzt.“
Das war zwar eine abstoßende, aber durchaus zutreffende Art, es zu beschreiben. Ich lehnte mich an Saul, und diesmal war es mir egal, dass meine Haare vor trockenem Blut knisterten und meine Zehen in nassen Schuhen steckten. „Verstehe“, sagte ich.
Er fuhr fort. „Jemand steigt aus und schaut sich um. Eine Frau, so leuchtende Haare, aber nicht blond. Ich hab mir sogar ihren Haarschnitt gemerkt, sah nämlich aus wie der von der Schlampe auf Kanal Zwölf …“
„Susan Zamora? Die Nachrichtensprecherin?“ Zamora hatte einen glatten, löwenartigen Bob, den sie ganz nach der aktuellen Mode Schokolade-Kirsch gefärbt hatte. Sie war ein Barrakuda in Menschengestalt.
Die Presse und ich mögen uns nicht besonders. Ich spreche nicht gerne über meinen Job, denn, seien wir doch mal ehrlich, normale Menschen wollen nichts über die Schattenwelt wissen. Reporter haben einen Dickkopf, der groß genug ist, sich selbst einzureden, dass sie Bescheid wissen wollen, sonst gar nichts. Was bedeutet, dass sie Jägern und Polizei das Leben schwer machen.
Versteht mich nicht falsch, ich liebe die vierte Gewalt wie jeder andere normalsterbliche Amerikaner. Aber bei allen Göttern, sie macht es mir nicht leicht zu arbeiten. Zum Glück hält sich Journalisten gegenüber jeder zurück, abgesehen von UFO-Freaks und Hochstaplern, die sich als Hellseher ausgeben.
Wer sich wirklich mit den Nachtschatten auskennt, weiß, dass es besser ist zu schweigen.
„Genau die. So sah sie aus. Sie läuft also in der Gegend rum, und sonst ist keiner da. Und ich hab dieses ganz, ganz miese Gefühl im Bauch, weil das stinkende Fellvieh herumschnüffelt, und plötzlich ist mir ganz zum Kotzen zumute. Jedenfalls brüllt die Frau irgendwas, und das Fellknäuel hechtet zurück in den Transporter, und als Nächstes seh ich, wie das ganze Teil anfängt zu schaukeln. Dann kommt das Biest wieder und hat was ganz Blasses im Arm. Mir ist klar, dass da was nicht stimmt. Weil das Einzige, was so groß ist, ist ein Mensch – aber für das Viech scheint er so leicht wie Luft. Die Fellbestie schlurft irgendwie so komisch bis dahin, wo der Gehsteig aufhört. Und dann wirft sie das Paket weg – und mir wird klar, dass es ’ne Leiche ist, aber eine, mit der was nicht stimmt. Sie platscht mit ’nem merkwürdigen Geräusch auf, und dann ist das Ding auch schon wieder im Bus, und die Frau steigt ein. Dann fahren sie los und sind verschwunden.“ Er zitterte, trotz der stickigen Wärme im Micky’s. Er hob den Blick und sah mich an. Seine Augen waren so dunkel, dass ich ihm mein Bier zuschob.
„Nimm ruhig. Es wird dir gut tun.“
Robbie griff danach, ließ seinen Kaffee stehen und trank ungefähr die Hälfte des kalten Getränks in einem langen Zug leer. Dann wischte er sich mit dem schmutzigen Handrücken über den Mund. „Ich wette, es hat mich gerochen“, sagte er niedergeschlagen. „Jede Wette.“
„Mach dir jetzt darüber mal keine Gedanken. Gab es sonst noch irgendwas? Hat die Frau vielleicht etwas gesagt, gelacht oder irgendwas in dem Bus gemacht?“
„Ist rumgelaufen und hat sich umgesehen. Sonst nix.“ Er leerte den Rest der Flasche. „Was zum Teufel war das für ein Ding? Jedenfalls war’s kein Mensch. Und ich war nich besoffen, Lady. Das Vieh war kein bisschen wie’n Mensch.“
Je mehr er sich hineinsteigerte, desto primitiver klang er. „Vielleicht, vielleicht auch nicht“, versuchte ich, ihn zu beruhigen. Ich bringe ihn zu Galina. Das dürfte im Moment der sicherste Ort für ihn sein. Und sie wird nicht zulassen, dass irgendein Scheiß passiert. „Aber am wichtigsten ist jetzt, dass du untertauchst. Ich kenne jemanden, bei dem du unterkommen kannst, wenn es dir nichts ausmacht, ein bisschen zu arbeiten. Du hast die Wahl: Entweder das oder zurück auf die Straße, wo diese Leute – wer immer sie auch sind – nach dir
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