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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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fort: »Jetzt zu Evan Schollers Wut. Die Beweise werden tatsächlich zeigen, dass er wütend war - wütend genug, um zu Mister Nolans Haus zu fahren und sich mit ihm zu prügeln. Und wütend war er, werden die Beweise zeigen, weil er glaubte, ihm solle ein Mord angehängt werden, den er nicht begangen hatte. Das ist ein berechtigter Grund, wütend zu werden«, fügte Washburn hinzu. »Es könnte jeden von Ihnen in Wut versetzen.«
    »Euer Ehren! Einspruch.«
    Washburn drehte sich um und ergriff die Gelegenheit, um
in den Zuschauerbereich zu blicken, immer ein verlässlicher Anzeiger dafür, wie er seine Sache machte. Zumindest schnaubte noch niemand. Er kramte in Hinnahme des Einspruchs seine bewährte Halbverneigung hervor und wandte sich, ohne die Entscheidung des Richters abzuwarten, wieder der Geschworenenbank zu. »Ich ziehe meine letzte Bemerkung zurück, Euer Ehren«, sagte er.
    Und fuhr fort: »Warum, werden Sie nun fragen, hat sich mein Mandant verbotenerweise Zutritt zum Haus seines Rivalen verschafft? Er war zu der Überzeugung gelangt, dass Mister Nolan der Mörder von Ibrahim und Shatha Khalil war. Er wird bezeugen, dass er Mister Nolan im Irak auf einer Kill-and-Destroy-Mission begleitete, bei der die gleichen Splittergranaten zum Einsatz kamen, die bei den Khalil-Morden verwendet wurden. Das mag eine Fehleinschätzung gewesen sein, aber es war kein Vorspiel zum Mord. Hätte er Mister Nolan umzubringen vorgehabt, hätte er nur in seinem Haus auf ihn warten und ihn töten müssen, statt Beweise gegen ihn zu sammeln und an die zuständigen Behörden zu schicken.
    Das alles sind Punkte, die Ihnen die Anklage als Fakten präsentiert hat, was sie jedoch keineswegs sind.
    Hasste mein Mandant Ron Nolan? Ja.
    Hatte Evan Scholler schwer damit zu kämpfen, sich von den physischen Verwundungen und psychischen Problemen zu erholen, die er erlitten hatte, als er im Irak für sein Land kämpfte? Ja.
    Hat er infolge der körperlichen wie psychischen Schmerzen in den Monaten seiner Genesung manchmal zu viel getrunken? Ja.
    Und hat er infolge des Zusammenwirkens aller dieser
Probleme ein schlechtes Urteilsvermögen bewiesen? Zweifellos.
    Er hat seine Befugnisse als Polizist missbraucht, um herauszufinden, wo Ron Nolan wohnte. Er ist in Ron Nolans Haus in dem Glauben eingebrochen, dieser hätte bei der Ermordung der Khalils die Hand im Spiel gehabt. Er hat sich von seiner Verzweiflung und Wut und vom Alkohol dazu hinreißen lassen, Ron Nolan zu bedrohen. Er fuhr am Abend des dritten Juni zu Ron Nolans Haus und prügelte sich mit ihm. Alle diese Dinge hat er getan und auch freimütig zugegeben.
    Doch das sind nicht die Dinge, deretwegen er vor Gericht steht.
    Meine Damen und Herren Geschworenen, nach Kenntnisnahme sämtlicher Beweise werden Sie feststellen, dass Evan Scholler alles Mögliche getan hat, aber nicht Ron Nolan getötet. Das ist etwas, was die Beweise nicht zeigen. Und wenn Sie nach Kenntnisnahme aller Beweise sehen werden, dass dies meinem Mandanten nicht nachgewiesen werden konnte, werden Ihr Gewissen und die Gesetze dieses Staates Sie dazu verpflichten, ihn für nicht schuldig zu erklären.«

23
    Nach den Eröffnungsplädoyers ging es sofort zur Sache, und Mills rief ihren ersten Zeugen auf.
    Der Rechtsmediziner, Dr. Lloyd Barnsdale, bekleidete das Amt des Coroners schon seit fünfzehn Jahren. Staubtrocken und blass wie die Leichen in seinem Institut, hatte sich der
bebrillte Mann mit dem fliehenden Kinn das Wenige, was von seinem ergrauenden schmutzig blonden Haar noch übrig war, möglichst flächendeckend über den Schädel gekämmt. Obwohl draußen weiter warmes Altweibersommerwetter herrschte, trug er eine Strickjacke über seinem weißen Hemd mit der Klemmfliege.
    Mills wartete ungeduldig, bis der Rechtsmediziner eingeschworen war. Die Zuversicht, die sie am Vormittag nach Beendigung ihres Eröffnungsplädoyers empfunden hatte, war unter dem liebenswürdigen Ansturm von Washburns Monolog merklich geschwunden. Tatsache war, sie würde sich kräftig ins Zeug legen müssen. Sie durfte auf keinen Fall selbstzufrieden werden. Washburn würde sie zur Schnecke machen, wenn sie ihm eine Gelegenheit dazu bot.
    »Doctor Barnsdale, Sie haben die Autopsie an Ron Nolan vorgenommen, richtig?«
    »Ja.«
    »Würden Sie dem Gericht bitte erklären, zu welcher Erkenntnis Sie dabei hinsichtlich der Todesursache gelangt sind?«
    »Selbstverständlich. Die Todesursache war ein Schuss, der aus nächster Nähe in den Kopf

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