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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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sie uns schicken können.«
    Das Geschrei hinter ihm, durchsetzt von wilden Wutausbrüchen, nahm zu. Seine Aufmerksamkeit richtete sich jetzt auf die Gestalt auf dem Beifahrersitz - den blutigen Fetzen des nijab oder Schleiers nach zu schließen, die jetzt da klebten, wo einmal das Gesicht gewesen war, war es eine Frau. Sie sank mit dem Oberkörper seitlich vom Sitz, und Blut tropfte auf die Straße. Fields, der die hintere Tür auf der anderen Seite geöffnet hatte, wich entsetzt zurück. »O Scheiße, Mann, Ev. Hier hinten sind zwei Kinder.«
    Eine Minute später prasselten die ersten Steine auf seinen Humvee nieder.

    Etwa zehn Minuten lang, auch wenn sie ihm eher wie eine Stunde erschienen, versuchte Evan, die Lage unter Kontrolle zu halten, auch wenn das Wurfgeschossbombardement inzwischen auf den ganzen Konvoi niederhagelte. Er erteilte seinen MG-Schützen, und ganz besonders Nolan, den strikten Befehl, nicht in die Menge zu schießen. Er hoffte, die von Pisoni angeforderte Verstärkung träfe in einem zeitlich vertretbaren Rahmen ein und die Situation würde zumindest bis zum Eintreffen der Kavallerie nicht weiter eskalieren.
    Allerdings konnte er die Menge nicht davon abhalten, den weißen Pkw immer enger einzukreisen, und es zeigte sich, dass einige der Schaulustigen die Familie, die Nolan ausgelöscht hatte, gekannt hatten. Als sich Evan und seine Männer zu ihren eingekeilten Fahrzeugen zurückzogen, erhielten sie von Pisoni Meldung, dass irakische Polizeikräfte, die in der Nähe stationiert waren, auf dem Weg zu ihnen waren.
    Währenddessen hatten einige Umstehende auf der Straße
Decken ausgelegt und machten sich daran, die Toten aus dem Auto zu holen. Zuerst die Frau, dann ihren Mann, der hinterm Steuer gesessen hatte, und zuletzt die drei Kinder - ihrer Größe nach zu schließen, war keines von ihnen älter als sechs oder sieben Jahre. Alle waren blutüberströmt, aber eins der Kinder atmete anscheinend noch, und jemand packte es und verschwand damit in der Menge.
    Nolan, immer noch hinter seinem MG, merkte, dass die Straße vor ihnen frei war. Der Stau hatte sich aufgelöst. »Evan!« Und als Scholler zu ihm hinaufblickte, deutete er nach vorn. »Schau.«
    Evan drehte sich zu ihm. »Was?«
    »Wir können losfahren, Mann.«
    »Was denkst du dir eigentlich? Wir fahren nirgendwohin. Wir haben hier einen Zwischenfall mit mehreren Todesopfern, Ron. Wir warten, bis alles geklärt ist.«
    »Das halte ich für keine gute Idee, Lieutenant. Wir verziehen uns, solange wir noch können. Diese Leute regeln das schon allein. Aber wir sollten unbedingt abhauen, bevor sich das Ganze rumspricht.«
    »Wir können uns nicht einfach aus dem Staub machen. Wir müssen Meldung erstatten …«
    »Meldung erstatten? Der einheimischen Polizei? Und was dann? Nein, Mann, was wir jetzt tun müssen, ist, von hier abhauen, solange wir noch können. Bevor die Sache richtig unangenehm wird und die das als was Persönliches zu sehen beginnen.«
    »Wieso persönlich?«
    »Weil wir sie umgebracht haben, Lieutenant.«
    »Wir haben sie nicht umgebracht, Nolan. Du hast sie umgebracht.«

    »Das ist doch Haarspalterei. Denen ist das jedenfalls völlig egal. Wir sind alle auf derselben Seite, das ist das Einzige, was für die zählt. Das hier ist eine Stammesgesellschaft, und deshalb ist jeder aus der Sippe dieser armen Teufel verpflichtet, uns umzubringen. Spätestens in zwei Minuten werden die richtig unangenehm werden, glaub mir.«
    Evan schaute die Straße hinunter zu den sich entfernenden Autos, die ihnen eben noch den Weg versperrt hatten. Hinter ihnen drängten ihn hundert hupende andere Autos, weiterzufahren, die Straße zu räumen, den Weg freizumachen. Er konnte sich unmöglich guten Gewissens vom Schauplatz eines solchen Zwischenfalls entfernen - alles in ihm, was er bei der Polizei gelernt hatte, sträubte sich dagegen. Es müssten Ermittlungen angestellt, Fotos gemacht, Zeugenaussagen aufgenommen werden. Sie konnten doch nicht einfach die Gelegenheit beim Schopf packen und sich aus dem Staub machen, oder?
    Fields auf dem Sitz neben ihm sagte: »Ich glaube, Mister Nolan hat Recht, Sir. Wir sollten lieber von hier verschwinden. Uns in eine FOB zurückziehen.« Fields hatte den Militärjargon inzwischen voll drauf. Eine FOB oder Forward Operating Base war ein sicherer Truppenrückzugsort mit Bremer-Mauern, mannschaftsbedienten Waffen und Kontrollpunkten. »Meldung können wir auch dort erstatten.«
    Statt einer Antwort ging Evan

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