Schattenkampf
die Beifahrertür auf. Evan versuchte, Fields zu fassen zu bekommen, um ihn mit nach drinnen zu ziehen. Er packte ihn am Ärmel, richtete sich auf und griff mit der freien Hand nach der von Onofrio, als er tief im Bauch wieder das tiefe Summen einer anrauschenden Panzerfaust spürte.
Es war das Letzte, was er elf Tage lang spürte.
Teil Zwei
2003-2004
9
Aus Ron Nolans Sicht brachte es nichts, im Irak zu bleiben und darüber zu sprechen.
Es sah ganz so aus, als würde die Untersuchung des Zwischenfalls eine haarige Angelegenheit. Vorläufig war Onofrio als einziger Zeuge übrig geblieben, und Nolan glaubte nicht, dass seine Aussage nachteilig für ihn ausfallen könnte. Onofrio war ganz aufs Fahren konzentriert gewesen und hatte bestimmt nicht mitbekommen, ob der weiße Pkw hinter ihnen schon angehalten hatte, als er das Feuer auf ihn eröffnete. Aber was auf der Straße über den Zwischenfall kursierte, wie Jack Allstrongs Nachfragen bei der irakischen Polizei und der amerikanischen Militärpolizei ergeben hatten, zeichnete ein ziemlich eindeutiges Bild vom Ablauf der Geschehnisse, und es war keinesfalls auszuschließen, dass Nolan festgenommen würde.
Nur gut, dass gerade der Abu-Ghraib-Skandal publik geworden war und jeder Amerikaner, der auch nur im Entferntesten etwas mit dem Gesetzesvollzug im Irak zu tun hatte, für die Ermittlungen zu diesem Fall abgestellt worden war. Sogar Major Charles Tucker, dieser nervige Korinthenkacker, der ständig etwas an den Zahlungen an Allstrong auszusetzen gehabt hatte, wurde zur Aufklärung des Skandals eingesetzt.
Aber trotz alledem und obwohl er wusste, dass Rechtsfragen im Irak eher lax gehandhabt wurden, vor allem wenn sie private Sicherheitskräfte betrafen, die krimineller Handlungen wie, in diesem Fall, eines Mordes angeklagt waren, wollte Nolan nicht riskieren, verhaftet zu werden. Man konnte nie wissen, was dabei herauskam. Die CPA konnte ohne weiteres auf die Idee kommen, an ihm ein Exempel für andere schießwütige Sicherheitskräfte zu statuieren oder ihn den irakischen Behörden zu überstellen, beides nicht gerade verlockende Aussichten.
Im Übrigen hatte Nolan kein sonderlich schlechtes Gewissen wegen des Zwischenfalls - so etwas passierte im Krieg eben hin und wieder. Diese Idioten hätten lieber früher anhalten sollen oder, noch besser, ganz zu Hause bleiben. Was bildeten die sich eigentlich ein? Wenn er noch einmal vor die Wahl gestellt würde, würde er wieder genauso handeln, Richtlinien für Gewaltanwendung hin oder her. Und so sehr er die Verluste in seinem Konvoi bedauerte, waren auch sie nur ein weiterer Kackbollen auf diesem gigantischen Scheißhaufen von Krieg. Wer konnte schon damit rechnen, dass die Einheimischen wegen so eines kleinen, begrenzten Zwischenfalls derart massiv Vergeltung üben würden? Und woher hätte er, was das anging, auch noch ahnen sollen, dass dieser spezielle Trottel von Kameltreiber, der Vater, der idiotischerweise seine ganze Familie in den Tötungsradius von Nolans Humvee gesteuert hatte, ausgerechnet Jahlil al-Palawi wäre, ein bedeutender Stammesführer und der einflussreichste Schiit im Masbah-Viertel?
Alles in allem war es eindeutig das Vernünftigste, unterzutauchen, bis der Zwischenfall in dem Chaos all der anderen Malheure unterging, die Tag für Tag im ganzen Land passierten.
In ein paar Monaten konnte er auf jeden Fall wieder bei Allstrong oder einem anderen Sicherheitsunternehmen vorstellig werden und da weitermachen, wo er aufgehört hatte. Außerdem war Jack Allstrong sicher nicht daran interessiert, dass ohne sein Einverständnis eine ganze Armee von Ermittlern am BIAP anrückte. Wer konnte schon vorhersehen, was sie dort alles sehen würden, das ihnen so sauer aufstieß, dass sie es an die CPA weiterleiteten?
Daher war Nolan schon eine Woche nach dem Zwischenfall wieder zurück in Redwood City. Nach kurzen Verhandlungen mit Jack Allstrong, die darin bestanden, dass jeder von beiden sich ein paar Gläser Glenfiddich genehmigte, entschied sich die Firma dafür, seine Abreise als Folge höherer Gewalt zu betrachten, was wiederum hieß, dass sie ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommen und ihm noch sechs Monate lang sein volles Gehalt auszahlen würde. Und mit einem Teil dieses scheinbar unerschöpflichen Geldsegens leistete Nolan eine Anzahlung auf ein modernes und elegant eingerichtetes Haus nahe der waldigen Grenze zwischen Redwood City und Woodside. Immer noch in Allstrongs Sold, war er
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