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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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ähnlich dem von Evan. Die nette Rezeptionsschwester am Schalter der Neurochirurgie sah auf ihrem Monitor nach und sagte Nolan, dass sein Freund auf Station 58 lag, wo die Patienten nach einer OP untergebracht wurden, und dass er dort noch unter Beobachtung stand. Sie sagte, das sei der nächste Schritt nach der Intensivstation und sie glaube nicht, dass Besucher dort Zutritt hätten.
    »Das kann nicht sein«, sagte Nolan. »Ich weiß nämlich, dass seine Eltern ihn bereits besuchen waren.« Er setzte ein nettes Lächeln auf. »Täusche ich mich da, oder sind wir hier schon wieder beim Thema ›Computer‹?«
    »Tut mir leid«, sagte sie. »Ich habe Ihnen ja gesagt, dass das ein Geduldsspiel werden könnte.«
    Er lächelte weiter ganz entspannt. »Ich bin die Geduld in Person. Gibt es eine Abteilung, in die sie Patienten mit Hirnverletzungen verlegen, wenn es ihnen bessergeht, nach dieser Station achtundfünfzig?«

    Sie verzog frustriert die Lippen. »Das weiß ich nicht. Aber warten Sie.« Sie griff nach dem Telefon, beugte sich vor, um etwas vom Monitor abzulesen, wählte eine Nummer. »Hi. Hier ist Iris Simms vom Neurochirurgie-Empfang. Ich habe gerade einen Besucher hier, der einen unserer Patienten besuchen möchte, Jarrod Smith, und der Computer hat ihn immer noch in Ihrer Abteilung, aber der Besucher glaubt nicht, dass er dort noch sein kann. Wo könnte er dann sein?«
    Sie hielt das Telefon zu und gab die Auskunft an Nolan weiter. »Wir haben viele Überschneidungen, aber sie sagen, vielleicht erkundigen Sie sich mal in den oberen Etagen der pädiatrischen Intensivstation. Halt, warten Sie …«
    Sie hob einen Finger und hörte wieder zu. »Ist er? Aha, verstehe. Er sagt aber, seine Eltern hätten ihn besuchen dürfen.« Sie wartete auf die Antwort. »Okay, danke. Ich werde es ihm sagen.«
    In anhaltender Frustration den Kopf schüttelnd, legte sie auf und wandte sich wieder Nolan zu. »Jarrod liegt leider immer noch auf Station achtundfünfzig, und sie sagen, er soll immer noch ziemlich weggetreten sein. Und sie lassen nur Familienangehörige in diese Abteilung. Tut mir leid.«
    »Ist ja nicht Ihre Schuld«, sagte Nolan. »Außerdem haben Sie alles versucht. Nächstes Mal werde ich vorher anrufen. Trotzdem danke für Ihre Hilfe.«
    »Gern geschehen.«

    Mochte Evan auch schneller genesen als die meisten anderen, dauerte es in seinen Augen dennoch unerträglich lang. An diesem Vormittag hatte er versucht, alle seine Lernkarten einmal durchzumachen - inzwischen hatte er sechshundert
in einem Schuhkarton neben seinem Bett, aber etwa bei der zweihundertsten bekam er das Gefühl, sein Kopf würde explodieren, weshalb er eine Minute lang die Augen schloss.
    Und mehr als zwei Stunden später wieder öffnete. Alle seine drei Zimmernachbarn waren weg, bei der Reha oder irgendeiner anderen Therapie. Draußen schneite es in riesigen klumpigen Flocken, was er deprimierend fand - in Verbindung mit seinem Versagen eben bei den Lernkarten sogar so deprimierend, dass er sich kurz der blinden Hoffnungslosigkeit seiner Situation ergab. Er würde nie mehr gesund werden, egal, was sie ihm alles erzählten. Er würde nie wieder normal sein. Die Leute würden selbst dann die Delle in seinem Kopf bemerken, wenn sie seinen Schädel wieder zusammengeflickt hatten. Er würde nie wieder wie ein normaler Mensch sprechen können. Er würde nie wieder eine Beziehung wie die mit Tara haben. Wäre das Schrapnell doch nur etwas tiefer eingedrungen, damit es ihn genauso getötet hätte wie seine Männer.
    So viele von ihnen waren jetzt tot. So viele tot. Lauter prima Typen. Und er hatte sie geführt. In den Tod.
    Er setzte sich im Bett auf und schloss die Augen gegen das unerwartete Brennen unerwünschter Tränen. Beide Hände an sein Gesicht hebend, drückte er fest gegen seine Lider und zwang sich, damit aufzuhören. Von einem Moment auf den anderen, noch bevor er es selbst mitbekam, schlugen Selbstgeißelung und Niedergeschlagenheit in Wut um. Den Teufel würde er weinen. Aber warum war ihm das zugestoßen? Warum ließen sie ihn hier nicht raus? Warum führten wir überhaupt diesen blöden hirnrissigen Krieg? Wen interessierte es schon, ob er jemals seine dämlichen Lernkarten lernte? Er
drehte den Kopf, um den Karton mit den blöden Dingern auf den Boden zu stoßen, als sein Blick wieder einmal über die Wand streifte und kurz auf der neuen Weihnachtsdekoration haften blieb. Santa Claus und …
    Rentiere!
    Die fliegenden Tiere, die den

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