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Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Titel: Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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anders aus, als er sie sich vorgestellt hatte.
    »Hallo«, sagte er zaghaft.
    Henrik Holme hatte sich eine Betreuerin in der Schule als junge Frau ohne Ausbildung vorgestellt. Dass sie eine Rundreise durch Australien machte, hatte ihn an eine Mittzwanzigerin mit schwarz gefärbten Haaren und vielleicht einem Piercing in der Nase denken lassen.
    »Jetzt möchte ich aber wirklich wissen, worum es geht«, sagte sie und lächelte in die Kamera. »Ich hab ja nicht oft mit der Polizei zu tun.«
    Sie hatte die grau melierten Haare achtlos hochgesteckt. Sie war munter und schlank und sicher über fünfzig. Vielleicht noch älter. Sie trug ein rosa Trägerhemd, und an ihren Oberarmen erahnte Henrik schlaffe Haut. Außerdem war sie auffällig braun gebrannt, und die Haut an Hals und Ausschnitt war voller Altersflecken.
    »Ist in Australien jetzt nicht Winter?«, fragte er.
    »Ich bin in Cooktown«, sagte sie lächelnd. »Im Norden. Im Vergleich zu Norwegen ist hier Hochsommer.«
    Dann hielt sie sich eine schmale Hand mit kurzen Nägeln vor den Mund.
    »Hat das hier etwas mit den Anschlägen zu tun?«
    Ihre Augen wurden noch größer, als sie sich zur Kamera vorbeugte.
    »Nein«, sagte Henrik rasch. »Nicht das Geringste.«
    Sie ließ die Hand sinken und seufzte laut.
    »Es geht wie gesagt um Sander Mohr«, sagte Henrik. »Er ist tot.«
    Elin Foss reagierte nicht. Rein gar nicht. Sie saß still da und starrte in die Kamera, noch immer mit einem kleinen erleichterten Lächeln.
    »Sind Sie noch da?«, fragte Henrik und schwenkte kurz die Hand vor der Kamera.
    »Was haben Sie gesagt?«
    »Sander Mohr ist tot.«
    Noch immer saß sie bewegungslos da, das Bild schien erstarrt zu sein. Henrik wollte schon die Verbindung überprüfen, doch nun schlug sie die Hände vors Gesicht.
    »Das ist nicht wahr«, sagte sie mit halb erstickter Stimme. »Das kann einfach nicht wahr sein.«
    »Doch. Es tut mir leid, Ihnen das so mitteilen zu müssen.«
    Sie ließ die Hände sinken und schlug damit auf den Tisch. Offenbar hatte sie dabei den Laptop getroffen, denn das Bild geriet heftig ins Schwanken.
    »Lassen Sie mich raten«, sagte sie viel zu laut. »Er ist von irgend so einem Scheißbaum gefallen. Oder mit dem Fahrrad umgekippt?«
    Für eine Frau in reiferen Jahren, die noch dazu in der Schule arbeitete, drückte sie sich ganz schön salopp aus, fand Henrik.
    »Fast richtig«, sagte er. »Er ist im Wohnzimmer von einer hohen Trittleiter gefallen. Zu Hause, meine ich.«
    Die Frau in Australien fing an zu weinen. Wieder schlug sie die Hände vors Gesicht und beugte sich so weit vor, dass nur ihre Haare für Henrik zu sehen waren. Ein Dutt, sah er jetzt, eine altmodische Rolle aus grauen Haaren, die von Kämmen festgehalten wurde.
    »Es tut mir wirklich leid«, sagte er und überlegte, was er sonst noch sagen könnte.
    »Scheiße, Scheiße, Scheiße!«
    Sie holte Luft und sprang auf.
    »Das glaub ich einfach nicht!«, rief sie.
    Ein Kamm hatte sich gelockert und eine dicke Locke war über das eine Ohr gefallen.
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Henrik.
    »Der Junge kam doch pausenlos verletzt in die Schule. Wenn er kein Veilchen hatte, dann einen gebrochenen Arm. Einen Fuß, auf dem er kaum stehen konnte. Brandwunden an den Armen, ein geschwollenes Handgelenk ... Herrgott! Auch wenn Sander ADHS hatte, muss ein vernünftiger Mensch doch begreifen, dass es in diesem Schloss im Glads vei nicht so idyllisch zuging, wie es vielleicht aussah.«
    »Jetzt komme ich nicht ganz mit ...«
    »Sander Mohr hatte es zu Hause schwer, darauf können Sie Gift nehmen. Da sind Dinge passiert, die ...«
    Elin Foss kam Henrik vor wie ein alter Hippie. Nicht einmal das Friedenszeichen um ihren Hals fehlte. Er versuchte, auszurechnen, wie alt sie sein musste, um damals jung gewesen zu sein. Um die sechzig. Das konnte durchaus stimmen, dachte er. Blumen, Friede, Freude und Eierkuchen für alle, Liebe zu Kindern und eine gelinde gesagt farbige Ausdrucksweise. Andererseits kam sie ihm reichlich temperamentvoll vor. Vielleicht war sie eine verblühte alte Maoistin, die den Glauben noch nicht ganz verloren hatte.
    Jetzt atmete sie schwer mit offenem Mund. Henrik ergriff die Gelegenheit beim Schopfe und warf ein: »Meinen Sie, dass da auf irgendeine Weise Übergriffe ...«
    »Ja!«, schluchzte sie. »Dieser Junge wurde ganz bewusst verletzt, darauf wette ich alles, was ich habe. Nicht, dass das sehr viel wäre, aber dennoch. Ich hätte ja nie gedacht, dass ich der Bullerei

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