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Schattenkinder - im Zentrum der Macht

Schattenkinder - im Zentrum der Macht

Titel: Schattenkinder - im Zentrum der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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Pfirsiche. Cornflakes.
    »Ich frage dich noch einmal«, wiederholte der Officer. »Warum hast du versucht ins Hauptquartier der Bevölke rungspolizei einzudringen?«
    »Hab ich nicht«, erwiderte Mark, doch seine Stimme klang jetzt noch unsicherer. Nicht einmal der größte Einfaltspinsel der Welt hätte ihm geglaubt.
    »Du hast es versucht«, sagte der Office ruhig, der seine Rolle sehr zu genießen schien. »Und dein Urteil lautet folgendermaßen: Du wirst bei Sonnenaufgang hingerichtet.«
    Mark blieb vor Schreck die Luft weg. Trey zuckte so heftig zurück, dass er gegen die Wand stieß und nur mit knapper Not einen Schmerzensschrei unterdrücken konnte. Das alleswar seine Schuld. Warum hatte er den Rucksack zur Seite gekickt und einfach liegen gelassen? Warum hatte er ihn nicht mitgenommen oder irgendwo sicher versteckt?
    Wenn man dumme Fehler macht, nützt einem auch Heldentum wenig
, dachte Trey. Es war die reinste Ironie – ja, jetzt verstand er die Bedeutung dieses Wortes. Sein Leben lang war er stolz gewesen auf seine Intelligenz, während er sich seiner Feigheit geschämt hatte. Und jetzt, wo er endlich einmal ein wenig Mut bewiesen hatte, brachte seine Dummheit seinem Freund den Tod.
    Das Einzige, was ich kann, ist, mir fremde Sprachen anzueignen, und die sind zu nichts nütze
, dachte Trey. Doch da blitzte eine Erinnerung in ihm auf: Als er sich voller Angst auf der Veranda der Talbots versteckt hatte, schien es, als hätten ihm seine Lateinkenntnisse das Leben gerettet. Aber warum? Was war schon Besonderes dabei, das Wort »
liber «
mit »frei« zu übersetzen?
    Und mit einem Mal glaubte Trey zu verstehen. Vielleicht waren die Begriffe »
liber «
und »frei« Kennworte. Kennworte für Menschen, die an mehr Freiheit glaubten, als die Bevölke rungspolizei gewährte?
    Trey wartete, bis der Officer gegangen war, dann flüsterte er Mark zu: »Ich glaube, ich weiß jetzt, wie ich dich retten kann. Du musst ›
liber ‹
rufen!«
    »Wie?«, sagte Mark.
    »
Liber «
, wiederholte Trey. »Es bedeutet ›frei‹.«
    »
Liber!
«, schrie Mark.
    »Tu es noch mal«, flüsterte Trey. »Und noch mal. Und ab und zu rufst du ›frei‹ dazwischen.«
    »
Liber!
«, wiederholte Mark gehorsam. »
Liber! Liber!
Frei!
Liber!
Frei!
Liber!
Frei!«
    Zuerst spulte er die Worte nur ab. Doch schon bald klang seine Stimme so eindringlich, als flehe er wirklich um Freiheit. Trey bekam eine Gänsehaut. Hoffentlich drangen die Rufe durch den kaputten Luftschacht, aus den verzierten Abdeckgittern bis in Aldous Krakenaurs Büro.
    Mark schrie, bis er heiser war. Doch das Einzige, was geschah, war, dass der Wachtposten das Licht ausmachte und Mark aufhörte zu schreien.

21.   Kapitel
    M ark?«, flüsterte Trey. »Es ist alles meine Schuld. Ich habe den Proviantsack draußen liegen gelassen. Ich habe ihn weggekickt und dann vergessen.«
    »Ich habe ihn auch vergessen«, flüsterte Mark mit heiserer Stimme zurück.
    »Sie haben mir eine Uniform gegeben. Vielleicht kann ich sie anziehen und so tun, als sei ich ein Wächter, dann könnte ich – o nein«, stöhnte Trey.
    »Was ist?«, fragte Mark.
    »Ich habe die Uniform im Luftschacht im Erdgeschoss zurückgelassen«, gestand Trey. Er hatte sie nicht mitgenommen, als er sich durch den Schacht in den Keller herabließ. Er hatte nicht mal daran gedacht.
    »Oh«, sagte Mark. Und dieses kleine Wort, nicht mehr als eine Silbe, sprach Bände. Mark hatte aufgegeben. »Du – du solltest jetzt gehen«, fügte er hinzu. »Damit sie dich nicht auch noch erwischen.«
    »Nein«, sagte Trey, und statt sich weiter zusammenzukauern, setzte er sich zum ersten Mal aufrecht hin. »Niemand sucht nach mir und du hast dem Wachtposten Angst vor Ratten und Mäusen eingejagt. Ich bleibe bis   –, so lange es geht.«
    Er wollte nicht aussprechen »bis sie dich exekutieren«. Doch die unausgesprochenen Worte schienen dennoch in der Luft zu hängen. Kurz darauf flüsterte Mark: »Danke.«
    Unter all den schlimmen Erfahrungen, die Trey im Laufe seines Lebens gemacht hatte, war dies die erste Tragödie, die sich im Vorhinein ankündigte. Der Tod seines Vaters, seine Mutter, die ihn im Stich gelassen, der Chauffeur, der ihn zurückgelassen hatte, und die Machtübernahme durch die Bevölkerungspolizei – alle diese Schicksalsschläge waren plötz lich und unerwartet eingetreten. Es erschien ihm nicht fair, im Voraus zu wissen, dass Mark sterben würde, und nichts dagegen tun zu können.
    »Vielleicht kannst du die

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