Schattenkrieg
leicht verfügbar war.
Der Anführer der Südwacht, bei dem sich Baturix zu melden hatte, war der Druide Salerix. Unglücklicherweise war dieser jedoch vor zwei Tagen nach Westen geritten, um dem Kastell Tyinsholmia einen Besuch abzustatten, so dass Baturix nur den hiesigenKommandanten angetroffen hatte, ein Mann namens Magnus von Lykkesella.
Dieser hatte sie freundlich empfangen und Baturix dadurch imponiert, dass er vernünftige Prioritäten setzte. Anstelle über Wachdienste zu diskutieren oder nach den Gründen für ihre Ankunft zu forschen, hatte er zuerst dafür gesorgt, dass die durchgefrorenen, erschöpften Neuankömmlinge ein Dach über ihre Köpfe bekamen. Neben der Halle belegten sie auch den Stall sowie eine Reihe aus niedrigen Hütten, die als Notquartiere gedacht waren. Obwohl das Kastell zur Verteidigung notfalls bis zu zweihundert Krieger aufnehmen konnte, gab es nur für die fünfunddreißig Mann der regulären Garnison richtige Quartiere. Anschließend hatte Magnus Bierfässer, Brot und Speck aus seinem Lager herangeschafft, und so saßen sie nun alle dicht gedrängt in der langen Halle des Kastells und spürten, wie die Wärme zurück in ihre klammen Glieder kroch. Für die Beleuchtung sorgten zahlreiche Fackeln, deren Rauch sich im Gebälk sammelte, bevor er durch das Strohdach nach draußen zog. Ein Kohlefeuer auf der Feuerstelle sorgte für zusätzliche Wärme.
Die Stimmung hatte gerade den Punkt erreicht, an dem viele der Männer die Strapazen des Tages vergessen hatten. Das Bier floss in Strömen, das Stimmengewirr wurde lauter und unklarer. Baturix warf einen kurzen besorgten Blick die Tischreihen hinab, dorthin, wo er seine Söhne vermutete. Er fand Tertius als Ersten. Der Junge hatte den Marsch mit der ungewohnten Rüstung nicht gut vertragen, doch inzwischen hatten sich seine Wangen wieder gerötet. Gerade verschluckte er sich an einem zu stürmisch angesetzten Schluck aus dem Bierkrug und spie die Hälfte davon über den Tisch. Baturix schmunzelte und entdeckte Gaius, wie er sich zurücklehnte, um seinem hustenden Bruder auf den Rücken zu klopfen.
Er wandte seine Aufmerksamkeit von seinen Söhnen ab. Bisher hatte er den beiden zwar kein Bier erlaubt, doch nun war es Zeit für sie, ihre eigenen Erfahrungen zu machen. Sie trugen Waffen und Rüstungen, man erwartete von ihnen, den Stamm unter Einsatzihres Lebens zu verteidigen – ihnen weiterhin das Bier zu verbieten erschien Baturix nicht richtig.
»Soso, dann drücken sich also wieder die Nain an unseren Grenzen herum«, meinte Magnus Lykkesella gerade zwischen einem Kanten Brot und einem tiefen Schluck Bier. Der Anführer der Garnison war ein durchschnittlich großer Mann ungefähr in Baturix’ Alter. In seinem kurzen Haar zeigten sich die ersten grauen Fäden, doch sein Vollbart war noch immer pechschwarz. Dunkle Augen verliehen ihm einen melancholischen Ausdruck. Wie auch bei Baturix war Magnus’ Helvetisch geprägt von einem starken norwegischen Akzent – ein sicheres Zeichen für seine Herkunft aus der Außenwelt. Dass er als Außenweltler so hoch steigen konnte, legte die Vermutung nahe, dass er ein Veteran des Schattenfeldzuges sein musste. »Und warum zum Teufel schickt uns dann der Häuptling fast nur Kinder?« Sein Blick wanderte über die Tische. »Das sind mehr als genügend Mann, um alle drei Garnisonen zu ersetzen, die Turmbesatzungen mit eingeschlossen. Wenn es Männer
wären
, meine ich.«
Genau das ist der Plan,
dachte Baturix.
Und zu Männern müssen sie hier werden.
Laut antwortete er jedoch: »Ich kann nur sagen, dass er seine Gründe hat. Er hat mir verboten, mit jemand anderem als Salerix darüber zu sprechen.« Er hatte bisher nur wenig Bier getrunken und würde sich auch zurückhalten – seitdem er in der Innenwelt lebte, vertrug er kaum noch Alkohol. Er erinnerte sich ganz kurz an ein früheres Leben, in dem das anders gewesen war (ein blondes Mädchen tauchte bei dem Gedanken vor seinem inneren Auge auf), doch er drängte die Erinnerung zur Seite.
»Du wirst nach Westen reiten müssen, wenn du den Dreiturm treffen willst. Man nennt ihn so wegen seines Wappens.«
»Ich weiß.«
»Es kann sein, dass er einige Zeit in Tyinsholmia bleibt. Am besten nimmst du gleich zwei Drittel deiner Männer mit. Mein Kastell ist zu klein für so viele Leute, und meine Vorräte reichen auch nicht.«
»Ich werde marschieren, sobald es die Verfassung meiner Leute zulässt. Aber es läuft sich hart im Schnee, und die
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