Schattenkrieg
die die Alten mit ihm machen, damit sein Bart schneller wächst –, aber bisher hat er einfach kein Glück damit.«
Baturix verdrehte die Augen. Das klang zu sehr nach seinem Sohn. Wenn er an seine eigene Pubertät dachte, schien Dummheit wohl doch vererbbar zu sein. »Das klingt ganz nach ihm, ja«, seufzte er.
Magnus’ Gesicht wurde wieder ernst. »Der, den ich meine, ist momentan nicht hier. Er steht auf dem zweiten Wachturm im Westen und friert sich gerade die Ohren ab, wenn er nicht die nachts verbotene Fellmütze aufhat.« Er zwinkerte dabei. »Tja, mit Fomorern an unserer Südgrenze werden wir wieder mehr darauf achten müssen, dass sich die Jungs an die Vorschriften halten. Gerade jetzt, wo der See zugefroren ist, müssen wir höllisch aufpassen.«
»So schwer kann es doch nicht sein? Auf dem See müsste man doch spätestens am nächsten Morgen ihre Spuren finden!« Die Wachtürme waren ohnehin nicht geeignet, einen Vorstoß von Fomorern oder Schatten zu verhindern. Es ging vielmehr darum, einen solchen Vorstoß rechtzeitig zu bemerken, bevor der Feind zu plündern und morden begann.
»Bei starkem Schneefall können die Spuren bis zum Morgen völlig ausgelöscht sein«, erklärte ihm Magnus. »Und selbst wennes nicht schneit, kann niemand Spuren finden, wenn die Besatzung des entsprechenden Turms ermordet ist.«
»Ich war sicher, ihr schickt jede Stunde ein Hornsignal über die Türme, um so etwas frühzeitig zu bemerken!« Er dachte an Markus, der jetzt da draußen irgendwo hoch über dem See in einem wackeligen Turm saß und in die Nacht lauschte – oder seelenruhig in seiner Kammer schlief und hoffte, dass seine Gefährten wachsam waren. Das Gerede über tote Türme machte ihn unruhig.
Magnus zuckte mit den Schultern. »Das tun wir. Aber es ist schon vorgekommen, dass die Schatten Fomorer in den Türmen positioniert haben, die dann das Signal gegeben haben. Es ist zwar schwierig, aus den Alphörnern einen Ton herauszubekommen, aber nicht unmöglich. Und seit dem Krieg haben sie genügend Helvetier in ihren eigenen Reihen, dass sie uns damit täuschen können. Glaub nicht, dass der Schattenfeind in seinem Guerillakrieg
alle
von ihnen erwischt hat. Er hat schon oft erzählt, dass er jedes Jahr auf neue Vagabunden stößt.«
Baturix nickte nachdenklich. Er hatte selbst schon als Cintorix’ Bannerträger gegen Fomorer gekämpft, die sich nach ihrer Gefangennahme als frühere Helvetier entpuppt hatten. Er konnte nur darauf hoffen, dass die Waldläufer die Schatten so lange beschäftigt hielten, bis der Krieg begann. Schaudernd stand er auf.
»Ich werde mich hinlegen«, meinte er zu Magnus und verließ die Halle.
Bevor er zu den Ställen ging, in denen seine Söhne einquartiert worden waren und in denen er deshalb auch selbst schlafen würde, entleerte er seine Blase gegen den Wall. Für einen Moment waren seine Sorgen und Gedanken ausgelöscht, während er mit wohltuender Entspannung den dampfenden Strahl beobachtete. Erleichtert knöpfte er die Hose wieder zu und stapfte durch den Schnee zu den Ställen. Ob er wohl in der Dunkelheit seine Söhne finden würde?
Schlagartig wurde ihm bewusst, dass dies vielleicht die letzte Nacht war, die er mit beiden zusammen verbringen würde. Erhatte beschlossen, sie für den Grenzdienst zu trennen – sie würden darunter leiden, aber wenn tatsächlich Fomorer auftauchten, war es besser, nicht beide Söhne auf einmal zu verlieren.
Als er in das Gebäude trat, stieg ihm sogleich das unverwechselbare Stallaroma in die Nase. Es war schon ziemlich still, obwohl er kaum eine Viertelstunde nach seinen Männern die Halle verlassen hatte.
Aber der Marsch war anstrengend, und die Kinder sind den Alkohol nicht gewohnt.
Sein großer Marschrucksack war der einzige, der noch am Eingang stand. Er seufzte – es machte wohl keinen Sinn, in der Dunkelheit nach den Jungen zu suchen.
Doch als er anfangen wollte, seine Decke auszupacken, hörte er einen der Männer murmeln: »Eure Jungen sind in der dritten Box links!«
»Danke!«, antwortete er leise und klopfte ihm auf die Schulter.
Der besagte Raum war klein und schon jetzt stickig. Auf dem ausgebreiteten Stroh lagen schon mindestens zehn Männer kreuz und quer, doch es fiel ihm nicht schwer, seine Söhne zu finden. Er kramte die Decke aus dem Rucksack, zog sich aus und legte sich zu ihnen. Es dauerte nicht lange, bis sich Tertius in seinen Arm gerollt hatte – so wie er es immer tat, wenn sich Baturix während des
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