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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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nach und nach die Anspannung aus ihrem Körper weichen ließ. Es war ein Luxus, den sie sich gönnte und den sie ganz sicher später bereuen würde, wenn die anderen Offiziere feststellten, dass der Warmwassertank leer war. Fürden Moment war ihr das jedoch egal, und so genoss sie ihre warme Dusche und die Aussicht auf einen freien Nachmittag. Keine Patrouille stand an, und das Schlimmste, was sie erwartete, war das Gemeckere ihrer Kollegen. Und die würden zumindest nicht auf sie schießen.
    Auf Patrouille war ihr Zug bereits unter Feuer geraten. Bisher hatten sie jedoch Glück gehabt – die Einheimischen hatten sich bisher auf Kleinkaliberfeuer beschränkt, ganz so, als ob sie zwar daran erinnern wollten, dass die Soldaten hier unerwünschte Eindringlinge waren, aber momentan keine Lust hatten, sich
richtig
Mühe zu geben. Doch auch wenn bisher weder Raketen noch Maschinengewehre auf sie abgefeuert worden waren, so war die Gefahr enorm. Selbst ein Schuss aus einer AK-47 1 war stark genug, das Führerhaus eines LKW von vorne bis hinten zu durchschlagen. Neulich hatte es in Oberleutnant Böhnischs Zug einen Toten gegeben. Ein Heckenschütze hatte ihn auf Patrouille erwischt.
    Veronika hatte noch immer nicht verstanden, was die Bundeswehr hier eigentlich bezweckte.
    »Wir müssen Präsenz zeigen«, hatte ihr Hauptmann Hagen erklärt, als sie ihn einmal darauf angesprochen hatte. »Wir sind für die Sicherung des Friedens zuständig. Solange wir in den Köpfen der Leute präsent sind, werden sie sich mit Kampfhandlungen zurückhalten!«
    Nun, der Kompaniechef schien nicht ganz unrecht zu haben, zumindest auf eine gewisse verquere Art und Weise. Denn solange sich die Einheimischen mit den verhassten Bundeswehrtruppen beschäftigen konnten, schienen sie sich tatsächlich gegenseitig in Ruhe zu lassen.
    Natürlich war Veronika nicht die Einzige, die sich darüber Gedankenmachte. Keiner ihrer Männer war so blind, nicht zu bemerken, wie sich die Situation langsam zuspitzte. Nachdem der Tote abtransportiert war, war es mehrere Male zu offener Befehlsverweigerung gekommen, die sie nur mühsam unter Kontrolle gebracht hatte. Veronika rechnete beinahe damit, irgendwann einmal alleine zur Patrouille dazustehen – oder dass irgendeiner ihrer Männer während der Patrouille den Kopf verlieren würde. Ein Mann, der am Maschinengewehr eines Dingos saß und durchdrehte, war so ziemlich das Allerletzte, was dieses Pulverfass Kosovo im Moment gebrauchen konnte. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun konnte, um die Situation zu entschärfen.
    Sie besaß noch nicht einmal einen Übersetzer, über den sie sich mit der Bevölkerung verständigen konnte. O ja, dem Zug war natürlich ein Dolmetscher zugeordnet. Aber der Mann – ein Serbe – war ein unzuverlässiger Alkoholiker, der jeden Morgen seinen Rausch ausschlief und schon lange seinen Verstand versoffen hatte. Veronika nahm ihn zwar mit zu den Patrouillen, doch es war hoffnungslos. Wenn sie mit Serben sprach, funktionierte der Mann zwar halbwegs. Sobald der Gesprächspartner aber ein Albaner war, begann er, nicht mehr zu übersetzen, sondern ihr Phantasiegeschichten zu erzählen und die Albaner in ihrem Namen zu beschimpfen und zu bedrohen. Der Mann war eine Zumutung … allerdings sie nahm ihn weiterhin zu den Patrouillen mit. Was blieb ihr auch anderes übrig?
    Ihr Zug war inzwischen weiter geschrumpft. Das Lazarett in Priština schien eine geradezu magische Anziehungskraft auf die Männer auszuüben. Der einzige Vorteil daran war, dass sie ihre drei unterbesetzten Gruppen zu zwei normalen zusammenschließen konnte. Diese passten nun in drei Dingos und einen Wolf. Hätte sie noch immer einen ungepanzerten LKW zur Patrouille gebraucht, wäre nach der Geschichte mit dem Heckenschützen die Meuterei wahrscheinlich unausweichlich gewesen. So aber schien es ihre Soldaten irgendwie glücklich zu machen, dass sie hinter den Panzerglasscheiben der Dingos einigermaßen in Sicherheit waren, währenddie verhasste Offizierin ihr Leben in dem ungepanzerten Geländefahrzeug riskierte. Vermutlich waren sie nach jeder Patrouille enttäuscht, dass es sie immer noch nicht erwischt hatte. Jedenfalls hatten sich die Anfeindungen und die offen zur Schau gestellte Ablehnung ihr gegenüber nicht verbessert. Eher im Gegenteil.
    Veronika war inzwischen bereit zuzugeben, dass ihr der Posten als Zugführer eine Nummer zu groß war. Mit ihrer Antrittsrede hatte sie die Soldaten gleich gegen sich eingestellt,

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