Schattenkrieg
war als er selbst …
Seine Bogenschützen trafen ein. Es waren Gareth, Evean und Griffin, alles Waliser, die mit dem gepriesenen Langbogen umgehen konnten. Ein Leben mit dem Bogen hatte ihre Brust und Schultern mit dicken Muskeln bepackt und ihre Träger stolz gemacht.
»Wir gehen jagen!«, erklärte Derrien. Er machte sich auf den Weg. Mit trügerischer Leichtigkeit spannten die Waliser ihre mannshohen Bögen und folgten ihm.
Der Weg war zuerst nicht sonderlich schwierig und stieg sanft an. Sie marschierten durch Mischwald, wo sich grüne Fichten mitkahlen Laubbäumen abwechselten und für ein Spiel von Licht und Schatten sorgten. Die Schneeflecken waren trotz der wärmeren Luft noch kalt und trocken. Der Wald war von dichtem Unterholz durchsetzt, wurde dann jedoch bald lichter, als sie die ersten hundert Höhenmeter hinter sich hatten.
Ihr Berg war ein Doppelgipfel, der sich etwa sechshundert Meter über das Dorf erhob. Die Spuren hatten in Richtung des südlichen Gipfels gezeigt, doch er hatte nicht vor, den Spuren zu folgen. Stattdessen plante er, den
nördlichen
Gipfel zu umrunden, um dann von der Rückseite aus den südlichen Gipfel zu erklimmen. Es war ein Umweg, aber dafür rechnete er fest damit, Rushais Kundschafter damit zu überraschen. Und darauf kam es an. Schon ein einziger Hornstoß konnte ihren ganzen Plan, alle Mühen der letzten Wochen zunichte machen.
Derrien schwieg. Seine Aufmerksamkeit war voll und ganz der Umgebung gewidmet. Seine Bogenschützen unterhielten sich anfangs gedämpft, bis er sie zurechtwies. Er rechnete zwar erst weiter oben mit dem Feind, aber man wusste nie. Vielleicht hatten sie Angeln im Fjord ausgelegt oder Fallen gestellt, um ihren Proviant aufzubessern? Es gab tausend Gründe, warum ein Wachmann seinen Posten verlassen könnte.
Der Wind frischte auf, als sie höher stiegen, und trieb von Westen her graue Wolken heran. Derrien beobachtete sie misstrauisch. Schneefall wäre hilfreich für ihr Vorhaben, da sie weitaus schlechter zu entdecken wären, doch Regen war etwas ganz anderes. Mit einer nassen Sehne konnte man nicht schießen. Er schickte ein Stoßgebet zu Tarannis und hoffte, dass das Wetter wieder kälter wurde.
Nach etwa einer halben Stunde hatten sie die Schulter des nördlichen Gipfels erreicht. Vor ihnen erstreckte sich nun der Lustrafjord, ein breites Wasserband, vom Wind aufgepeitscht und grau. Gegenüber befanden sich weitere bewaldete Berghänge. Dahinter ragten die Bergriesen des Jotunheimen auf, wo die Helvetier siedelten.
Der Wind fuhr hier stärker durch den licht gewordenen Wald und zerrte an seinen Kleidern. Evean fluchte, als eine Bö eine Haarsträhne aus seinem Pferdeschwanz zog und ihm ins Gesicht blies. Derrien zischte ihn an, gefälligst die Schnauze zu halten.
Von hier an wurde der Weg wieder anstrengender. Während sie den Nordgipfel umrundeten, mussten zwar kaum Höhenmeter überwunden werden, aber weniger Bäume bedeuteten auch mehr Schnee. Außerdem war ihr weiterer Weg vom Südgipfel aus einsehbar, so dass sich Derrien sorgfältig an die Deckung halten musste, die ihm Felsen und Bäume boten.
Es war eine halbe Stunde später, als Evean plötzlich zischte: »Derrien!«
Er erstarrte.
»Dort drüben, rechts unterhalb des Gipfels!«
Derrien aktivierte seine Adleraugen und ließ seinen Blick über den Hang gleiten. Er sah Felsen und verkrüppelte, windschiefe Kiefern, die Sicht immer wieder gestört von kleinen Schneewölkchen, die die Windböen von Ästen und Felsen bliesen. Direkt unter dem Gipfel balgten sich zwei Elstern.
Gareth und Griffin schlugen mit den Händen eine Bogenform auf ihre Brust, Lughs Regenbogen, der vor Unheil schützen sollte. Zwei Elstern bedeuteten im allgemeinen Aberglauben Unheil. Doch als kurz darauf eine dritte dazukam, grinsten sie sich an und beruhigten sich.
»Wo?«, musste Derrien nachfragen. Er hatte immer noch nichts gesehen.
Evean deutete mit dem Arm. »Vorher habe ich einen Mann gesehen, aber er ist wieder verschwunden. Jetzt erkennt man nur noch ihr Zelt.«
Derrien starrte noch einmal nach oben. Nun, da er wusste, nach was er suchen musste, fiel es ihm nicht schwer, das Zelt zu entdecken. Es war niedrig, kaum mehr als eine braune Lederplane unter zwei Zeltstangen, halb im Schnee versunken. Die Nächte darin mussten
eisig
sein. Die Späher hatten es inmitten eines Wäldchensniedriger Krüppelkiefern gut getarnt. Ohne den Mann, den Evean entdeckt hatte, hätten sie es niemals gefunden.
Das
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